Jugendarrestanstalt Lichtenrade offiziell eröffnet

Berlin-Lichtenrade, 9. Mai 2012 Hoher Besuch in Lichtenrade. Etwas flapsig gesagt: Sie wollen alle in den Knast. Da wir aber seriös berichten, hört sich das Ganze doch etwas sachlicher an:

Am heutigen Tag haben Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU), Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) und der Tempelhof-Schöneberger Bundestagsabgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak (CDU) gemeinsam die neu bezogene Jugendarrestanstalt in Lichtenrade offiziell eröffnet. Der Umzug fand schon Anfang April statt. Die Lichtenrader Internetzeitung berichtete bereits (mit Fotos; LINK: http://weblog.lichtenrade-berlin.de/archive/2012/04/10/die-jugendarrestanstalt-ist-innerhalb-von-lichtenrade-umgezogen.htm). Eine Veränderung war notwendig, da das bisherige Gebäude der Jugendarrestanstalt (JAA) in Lichtenrade aus allen Nähten platzte und Jugendliche immer wieder abgewiesen werden mussten (2011 gab es 224 Abweisungen; in den ersten 3 Monaten 2012 bereits 61 Abweisungen). Dies wurde aus pädagogischen Gründen sehr kritisch gesehen, da diese Erziehungsmaßnahme nach dem Jugendgerichtsgesetz (noch keine Strafe im Sinne des Gesetzes) eine schnelle Sanktionierung mittels eines kurzfristigen Freiheitsentzuges sein soll. Die vom Gericht verhängte durchschnittliche Verweildauer in der JAA liegt bei zwei Wochen; bei den Kurz- und Freizeitarresten ist die Dauer kürzer.


Eine riesengroße Pressmeute, die mit Bleistift und Kugelschreiber, einigen TV-Kameras, vielen Mikrofonen und Fotoapparaten mit unendlich langen Objektiven ausgerüstet waren, erstürmten die neu bezogene JAA am Kirchhainer Damm. Sie warteten nach der intensiven Einlasskontrolle alle geduldig auf den hohen Besuch.

Der Leiter der JAA, Thomas Hirsch, führte die Gäste durch die schweinchenrosafarbigen Gebäude. Überall ist die hohe Gefängnismauer sichtbar. Die Tischlerei ist noch nicht im Betrieb. Besonders begehrt war das Fotomotiv, bei dem die Gäste eine Zelle besichtigten. Ein Minister in einer Zelle. Was für ein Motiv? (ich habe darauf verzichtet, weil man als Fotograf hier um sein Leben kämpfen musste). Übrigens die Einzelzellen haben jeweils eine Toilette.


Auf der nachfolgenden Pressekonferenz wurden die Hintergründe des Umzuges der Jugendarrestanstalt erläutert. Luczak begrüßte dabei vor allem die mit dem Umzug einhergehende Erhöhung der Arrestplätze von 33 auf 60. Damit sei sichergestellt, dass zukünftig keine Arrestanten mehr mangels Kapazität abgewiesen werden müssten. Luczak: „Es war ein Unding, dass im Jahr 2011 fast jeder fünfte Arrestant abgewiesen werden musste. Das war ein fatales Signal an den jugendlichen Delinquenten, der seinen Arrest antreten wollte. Die angestrebte erzieherische Wirkung ist hier total verpufft. Es ist gut, dass damit jetzt Schluss ist!“ Auch sei es durch die Kapazitätserhöhung nunmehr möglich, den Arrest schneller, nämlich binnen drei Wochen anzutreten. Dr. Luczak: „Strafe beziehungsweise eine staatliche Reaktion muss auf dem Fuße folgen, damit sie einen Erziehungseffekt hat. Das war vorher nicht gewährleistet, als das noch bis zu 11 Wochen dauern konnte.“



Die Tischlerei wird besichtigt...

Weiteres Thema der Pressekonferenz war die Einführung des sogenannten Warnschussarrestes. Danach kann das Gericht neben einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe auch einen bis zu vierwöchigen Arrest anordnen. Bisher gab es nur die Wahl zwischen Jugendarrest und Jugendstrafe zur Bewährung. Das Gesetz befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren im Deutschen Bundestag. Luczak, auch Mitglied im Rechtausschuss, zeigte sich überzeugt, dass der Warnschussarrest einen wichtigen Beitrag zur wirksameren Bekämpfung von Jugendkriminalität leisten werde. Zwar sei richtig, dass die Jugendkriminalität insgesamt rückläufig ist, die Zahl der Gewalttaten, insbesondere von jugendlichen Intensivtätern sei aber nach wie vor auf einem beängstigend hohen Niveau. Luczak: „Deshalb ist es richtig, den Jugendgerichten ein weiteres Instrument an die Hand zu geben. Bislang haben jugendliche Kriminelle eine zur Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe oftmals als verkappten Freispruch empfunden. Mit dem Warnschussarrest gibt es nun die Möglichkeit, ihnen einen Vorgeschmack davon zu geben, wo ihre kriminelle Karriere enden kann. Für den Erziehungsgedanken des Jugendstrafrechts ist es gut, dass wir nun die Möglichkeit einer konsequenten Reaktion auf schwere Straftaten haben.“


Alles rosa-rot?

Anstaltsleiter Hirsch, der selbst als Richter tätig war, sieht den sogenannten Warnschussarrest nur für einige wenige besondere Fälle. Ihm ist wichtig zu betonen, dass der Jugendarrest eine pädagogische Maßnahme ist und die Jugendlichen eine echte Chance bekommen müssen.

Vom Bundesinnenminister Friedrich und auch vom Justizsenator Heilmann wurde besonders die Arbeit des Fördervereins gelobt, der schon manche besondere Anschaffung nur mit bürgerschaftlichem Engagement möglich gemacht hat.

Neben den regulären sozialen Trainings in der JAA (Ethik, Konfliktbewältigung, Drogenmissbrauch, Schuldenregulierung, Bewerbungstraining u. a.) wird auch ein Anti-Gewalt-Training angeboten. Den Arrestanten soll geholfen werden, dass sie sich wieder feste Lebensstrukturen erarbeiten.

Die neue JAA an der B 96, genauer gesagt kurz vor der südlichen Berliner Stadtgrenze, befand sich vorher hinter dem jetzigen Grundstück an der kleinen Lützowstraße. In der Vergangenheit kam es hier gelegentlich zu Anwohnerbeschwerden wegen Ruhestörung. Dies dürfte künftig nicht mehr das Problem sein, da die neue JAA etwas von den meisten Anwohner entfernt liegt und von einer hohen Mauer umgeben ist.





Nach den Plänen des vorherigen Senats sollte in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt für Jugendliche die Drogenfachabteilung für straffällige Jugendliche eingerichtet werden. Auf dem bisherigen Grundstück der JAA sollte ein Neubau für die Erweiterung der Plätze sorgen.

Anlieger, Lichtenrader Initiativen, Beschäftigte der Justiz und Vertreter der Politik, auch der Bundestagsabgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak und auch FDP-Abgeordnete, waren gegen diese Pläne der Ex-Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD). Besonders der „Drogenknast“ war in Lichtenrade umstritten. Dem „normalen“ Lichtenrader Bürger waren die Zusammenhänge im Einzelnen oft unklar. Der größte Fehler lag aber offensichtlich auch an der zögerlichen Informationspolitik.


Eine ganz normale Zelle...

Zwischenzeitlich gab es nun eine Berliner Wahl und SPD und CDU bilden seither eine große Koalition. In der Koalitionsvereinbarung wurden die bisherigen Pläne zur Disposition gestellt. Und so dauerte es nicht lange, bis der neue Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) verkündete, dass der sogenannte „Drogenknast“ nicht nach Lichtenrade kommt. Außerdem entschied die Justizverwaltung, dass die JAA in das Gebäude vom bisherigen Jugend-Untersuchungsgefängnis, dass hier nicht mehr benötigt wurde, zieht. Das alte Gelände an der Lützowstraße soll als Reserve dienen. So schnell wird man darauf aber nicht zurückgreifen müssen, da sich die Plätze nun fast verdoppelt haben (50 Plätze für männliche und 10 Plätze für weibliche Arrestanten). Außerdem sparte man die Kosten für einen JAA-Neubau. Der kleine Umzug innerhalb von Lichtenrade wurde ohne zusätzliche Kosten von den Arrestanten selbst durchgeführt.




Eine ungewöhnlich schnelle Entscheidung! Dem neuen Justizsenator kann man keinesfalls unterstellen, dass er Entscheidungen aussitzt. Sehr angenehm!

Unklar ist jedoch, welche Kosten noch für die Renovierung der „alten“ Drogenfachabteilung der Jugendstrafanstalt am Friedrich-Olbricht-Damm notwendig werden.

Im Anschluss an die Pressekonferenz überreichte Luczak dem Anstaltsleiter Thomas Hirsch zwei Fußbälle und einen Beachvolleyball, die von Luczak und dem Justizsenator unterschrieben wurden. Luczak: „Ich hoffe, diese Bälle unterstützen die pädagogische Arbeit der Jugendarrestanstalt. Sport ist nicht nur gut für Körper und Seele, sondern trägt auch dazu bei, Aggressionen abzubauen und Energien in eine positive Richtung zu lenken.“




Bundesinnenminister Friedrich, Senator Heilmann, MdB Luczak

JAA-Leiter Hirsch und Bundesminister Friedrich


Die vielen Fotos in diesem Bericht sollen dazu dienen, dass sich auch die Lichtenrader einen Eindruck machen können, wie es hinter den Mauern aussieht (so oft hat man dazu ja nicht die Möglichkeit). Eines wird vielleicht deutlich, dass diese Erziehungsmaßnahme kein Zuckerschlecken ist und das Gefühl eines Gefängnisses, wenn es auch noch recht neu ist, vermittelt wird und dies vielleicht die Jugendlichen abschreckt.

Thomas Moser -BerLi-Press (www.berli-press.de)-auch Fotos_

Wer mehr über den Jugendarrest wissen will: http://www.berlin.de/sen/justiz/justizvollzug/jaa/


 

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