Ein Lichtenrader Restaurant wird 150 Jahre alt. Ein ganz besonderes Jubiläum!


Restaurant Hermann Reisel (Jahr unbekannt)
Im Jahr 1866 wurde in Lichtenrade eine „Raststätte mit Pferdeausspann“ eröffnet. Das ist mittlerweile beachtliche 150 Jahr her und nun führt die Ur-Ur-Ur-Enkelin des Gründers, Monika Reisel, das Restaurant bereits seit 1992. Im Restaurant, dass Berlinweit gerne auch für Feiern gebucht wird, gibt es 80 Plätze. Es wird deutsche und internationale Küche angeboten. Vor der Gaststätte sind unter schönen Kastanienbäumen 60 Sitzplätze vorhanden. Der Biergarten hinter dem Haus, der circa seit 5 Jahre besteht, darf für zwei Veranstaltungen im Monat genutzt werden. Seit vielen Jahren hat sich in diesem historischen Gebäude auch eine Kleinkunstbühne etabliert, für die Monika Reisel mittlerweile auch gar keine Werbung mehr machen muss: „Die Veranstaltungen sind immer sehr gut besucht.“ Das Programm ist bei den Gästen immer sehr beliebt.

Familientradition im Bauch

Monika Reisel, Geburtsjahr 1958, erläutert aus tiefer Überzeugung: „Ich habe meine Familientradition im Bauch!“ Sie hat jedoch nicht das Gefühl, dass jetzt die Zeit für eine große Feier ist: „Ich möchte lieber dafür Menschen etwas geben, die es wirklich brauchen.“ Da hat sie auch schon verschiedene Ideen. Mit Spenden sollen im Lichtenrader Kiez das Kinder- und Jugendhaus der evangelischen Kirchengemeinde Lichtenrade in der Nahariyastraße und das Nachbarschaftszentrum Suppenküche Lichtenrade unterstützt werden. Auch möchte Monika Reisel gerne ein Projekt einer Mitarbeiterin unterstützen, das in Kreuzberg mit Straßenkinder arbeitet und sich um Brunnenbau in Afrika kümmert: „Für mich ist es wichtig zu sehen, wo das Geld hinkommt.“ Das Jubiläum, das am 18. Oktober ansteht, wird nur im kleinen familiären Rahmen und mit ihren ganz engen Begleitern begangen.

Ein Herz für die Gastronomie

Das Herz von Monika Reisel schlägt schon fast ihr Leben lang für Gastronomie. Schon mit 10 Jahren hatte sie die Schürze um und half in der Küche und überall, wo es Arbeit gab: „Und Arbeit gab es immer reichlich.“ Im Hotel Berlin lernte sie Hotelfachfrau und probierte sich in der Schweiz, in England und in Frankreich aus. Auch in der Berliner Szenegastronomie hatte sie mit viel Freude gearbeitet. Das elterliche Restaurant stand für sie da noch gar nicht zur Debatte. 1980 ist dann jedoch ihre Mutter mit 46 Jahren plötzlich verstorben und sie musste sofort einspringen: „Zu der Zeit hatten wir oft jeden Tag am Wochenende drei Konfirmationen.“ Monika Reisel fühlt sich immer noch Bärbel Olek sehr verpflichtet, die in Lichtenrade eine Gaststätte am Anfang der Bahnhofstraße hatte und mit Familie Reisel befreundet war. Viele alte Lichtenraderinnen und Lichtenrader werden sich noch an dieses Restaurant erinnern: „Ohne diese Hilfe hätten wir es gar nicht geschafft.“ Ihr Vater Helmut, der an sich gar kein Gastronom war, kam sehr gut rüber und war bei den Gästen mit seiner herzlichen direkten Art sehr beliebt. Der Tod seiner Frau war für ihn jedoch sehr schwer zu ertragen. Zwischenzeitlich wurde die Gaststätte auch verpachtet. 1992 hat der Papa von Monika Reisel ihr das Restaurant übergeben. Am Anfang wollte sie Gaststätte nur zusammen mit ihrem damaligen Lebenspartner bewältigen. Am Tag der Eröffnung war alles jedoch so voll „wie ich es nie gedacht hätte“ und man musste ganz schnell Mitarbeiter suchen: „Dann haben wir es eben gewuppt, mit allen Höhen und Tiefen!“

Etwas mehr Privatleben wäre schon schön

Monika Reisel sagt über ihren Beruf und ihr Restaurant: „Das ist und war schon immer mein Ding.“ Sie kann sich nichts anders vorstellen, auch wenn ihr in der letzten Zeit manchmal die Behörden das Leben nicht leicht gemacht haben. Wichtig ist für die Chefin, dass die Qualität stimmt und man in ihrem Restaurant gemütlich sitzen kann. Monika Reisel vermisst manchmal schon etwas das Privatleben. Sie sagt jedoch auch klar: „Zehn Jahre möchte ich unbedingt noch weitermachen.“ Mit Monika Reisel wird die Familientradition des Restaurants enden, wenn sie in einigen Jahren aufhört. Sie hat keine Kinder und ihre Schwester wird den Betrieb auch nicht weiterführen.

Köche Sascha Püschel und Thomas Schramm, Servicekräfte Georgia Tzabazi und Jeanette Kant, Monika Reisel und Küchenchef Peter Merk

Wichtig sind für sie ihr Team und besonders ihr Küchenchef Peter Merk, mit dem sie gut befreundet ist. Peter Merk fing zusammen mit Monika Reisel in Lichtenrade an und hat die Chefin durch vielen Höhen und Tiefen begleitet.

Zur Tradition… und wie hieß nun wirklich der Gründer?

Ihren Anfang nahm die Geschichte des wohl ältesten Familienrestaurants Berlins allerdings weitere 116 Jahre vor der Gründung: Im Jahr 1750 verließ der Bauernsohn Peter Grunow sein Heimatdorf Kaulsdorf (jetzt gehörig zu Hellersdorf bzw. Marzahn-Hellersdorf im Wuhletal) und wanderte nach Lichtenrade in ein winziges Dörfchen mit einer Hand voll Häuser um einen kleinen Teich aus.

So und jetzt kommen auch bei Monika Reisel Fragen auf, wer nun der wirkliche Gründer des Restaurants war: Als die Enkelin von Peter Grunow, Marie Luise, 1838 den Stellmacher Wilhelm Gustav oder Rudolf Reisel heiratete, erhielt sie als Mitgift ein kleines Grundstück an der Ostseite der Dorfstraße. In verschiedenen Veröffentlichungen tauchen jeweils die unterschiedlichen Namen auf.

Sie ärgert sich, dass sie zu Lebzeiten ihres Vaters Helmut diese Frage nicht angesprochen hat. Aber sie hat auch noch nicht alle Kisten gesichtet, die vielleicht die Lösung des Rätsels bringen. Es würde Monika Reisel schon sehr interessieren, was nun stimmt: „Vielleicht wissen ja alte Lichtenrader mehr?“

Familie Reisel im Jahr 1896 vor ihrer Gasstätte . Die Dame mit dem strengen Scheitel in der Mitte ist Marie Auguste Caroline Reisel, die Urgroßmutter der heutigen Besitzerin Monika Reisel

Ein strategisch günstiger Ort

Aber weiter zur Historie: Dort, an der sogenannten Staats-Chaussee zwischen Berlin und Dresden und an der Chaussee Richtung Groß-Ziethen, wurde 1866 im Bauerngehöft strategisch günstig eine „Raststätte mit Pferdeausspann“ gegründet, in der Reisende ihre Pferde versorgten, defekte Reisewagen reparieren ließen und selbst essen konnten und ihren Proviant auffüllten.

Damals hatte Lichtenrade circa 400 Einwohner. Es gab weder Strom noch Gas oder fließendes Wasser. Bei Kerzenschein wurden die durchreisenden Gäste mit Speisen verköstigt, die man über offenem Feuer zubereitete. Das ist nun schon sehr lange her und mit der Erfindung und Ausbreitung des Automobils war der Pferdeausspann an dieser Chaussee nicht mehr notwendig.

Vom Kuckuck und Weiße im märkischen Sand

Die Gaststätte Reisel hat in ihrer langen Geschichte schon viel erlebt. So trafen sich über viele Jahre, bis in die 60iger Jahre, die Gerichtvollzieher in Lichtenrade zu ihrem Stammtisch. Einmal im Monat wurden im Restaurant dann die Sachen versteigert, denen vorher ein „Kuckuck“ aufgeklebt wurde und die dann in der Pfandkammer gelandet waren. Seit 1954 ist bei Reisel auch ein Sparverein ansässig. Eine ganz besondere Spezialität soll Opa Hermann hergestellt haben. Ein Jahr lagerte er selbstgebraute Weiße mit Rum im märkischen Sand, bevor das Getränk den Gästen angeboten wurde. Schon vor vielen Jahrzehnten fiel dieses Getränk dem strengen Lebensmittelrecht zum Opfer. Auch Monika Reisel hat den Ausschank nicht mehr erlebt. Sie hat aber noch einige Exemplare der Ton-Flaschen in ihrem Keller.

Thomas Moser

http://www.restaurant-reisel.de

Weiteres Historisches unter http://www.lichtenrade-berlin.de/historisch-reisel


 

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