Foto Thomas Moser: Erhard Scheffler (re) mit seinem Buddelkastenfreund Wolfgang Graeper im November 2014

Erhard Scheffler, Jahrgang 1936, in Lichtenrade aufgewachsen und lebte hier bis zum 19. Lebensjahr. Dann ist er in die Schweiz gegangen, erst nur für ein Berufspraktikum, dann ist Erhard Scheffler dort geblieben. Jetzt lebt er schon seit vielen Jahren im Schwarzwald. Er besucht gerne Lichtenrade und hält Kontakt zu seinen Buddelkastenfreunden.

Ein Bericht vom ehemaligen Lichtenrader Erhard Scheffler

2008 hat mich eine Einladung zum 11. Buddelkastentreff am Wünsdorfer-Platz, wo ich aufgewachsen bin, nach Lichtenrade geführt. Nach über 50 Jahren Aufenthalt in der Schweiz und im Schwarzwald wollte ich die Gelegenheit nutzen, um die Orte meiner Kindheit in Lichtenrade aufzusuchen. Gemeinsam mit Wolfgang Graeper, dem Gründer vom „Buddelkastentreff“, stehe ich vor unserer alten, frisch gestrichenen Käthe-Kollwitz-Schule in der Mellener Straße, die zu unserer Zeit Roonstrasse hieß. Wir suchen nach alten Erinnerungen und Veränderungen. Offensichtlich waren wir sehr auffällig. Ein Mann, vermutlich der Hausmeister, fragt, was wir da machen. Unsere Erklärung, dass wir da mal Schüler waren, will er nicht so richtig glauben. Die Fotos von meiner Einschulung und ein Klassenfoto waren dann doch überzeugend und wir hatten eine nette Unterhaltung über unsere Schule. .

1942 war meine Einschulung in die damals 11. Volksschule.

Der Rektor war Herr Bremer. Wir hatten ein tollen Lehrer, Herr Lückemann. Leider musste er, als wir in der 2. Klasse waren, als Soldat in den Krieg, wo er dann bald gefallen ist. Aus irgendwelchen Gründen ist der Schulbetrieb in Lichtenrade bald eingestellt worden. Eine kleine Gruppe Schüler, die eine Meldeadresse in Mahlow hatten, konnte dort in die damalige Dorfschule gehen.

Meldeadresse bei Tante Becker in Mahlow
Dort war der Unterricht sehr streng und der Rohrstock kam noch regelmäßig zum Einsatz. Der Unterricht begann mit einem Gebet für Volk und Führer. Der Rektor war Herr Gehrke. Die Lehrer waren Herr Schwarz, ein netter älterer Herr bei dem schon zwei meiner Onkel Unterricht hatten, Frl. Antes und Frau Bonsels, die die Schwägerin von Waldemar Bonsels, dem Schriftsteller der „Biene Maja“, war. Bald war auch dort die Schule für uns zu Ende und wir hatten schulfrei.


Circa 1944 mit Lehrer Lückemann

Dorfschule in Mahlow ... einst und jetzt...

1944/45 wurde die Schule vom Volkssturm als Kaserne benutzt und der Rektor Bremer wurde als Kompaniechef eingesetzt. Lehrer gab es nur Herr Görlich, der Biologielehrer war und von etlichen Schülergenerationen „Löwenzahn“ genannt wurde und Herr Leidenroth, der Musiklehrer war und allen Schülern bei jeder Gelegenheit erklärte, in seiner Geige leben vier Zwerge, die zum Leben Geigenmarzipan brauchen, das auf den Bogen aufgestrichen wird.


Erhard Scheffler (lks)

Kurz vor Kriegsende mussten wir jeden Mittwoch am Vormittag zu einem sogenannten Appell, der in der Aula von Herrn Görlich abgehalten wurde. Zum Abschluss war eine Aufstellung auf dem Schulhof, wo unter Absingen von damaligen Liedern die Fahne aufgezogen wurde. Die Volkssturmleute, bei den auch mein Großvater war, mussten dann eine Übungspanzerfaust aus der Waffenkammer, die im Toilettenhäuschen eingerichtet war, holen und vorführen. Die wurde dann auf einen ausgedienten Kinderwagen, der auf einem Fass stand, abgeschossen. Die älteren Schüler durften oder mussten dann jeder ein Schuss abgeben. Unsere Hausaufgabe war das Malen und Ausschneiden von militärischen Rangabzeichen.

Ab Anfang Mai 1945 wurde die Schule als russische Kaserne benutzt. Wir Kinder konnten uns frei bewegen und haben unsere schulfreie Zeit im ganzen Ort verbracht. Die grösste Anziehung hatte der Bahnhof und die Mälzerei.

Am Bahnhof mussten die Kohlenzüge oft längere Zeit halten und wir konnten Beute machen. In der Mälzerei waren Fleischkonserven die von den Russen abtransportiert wurden. Auch da war mit viel Glück was zu holen. Ab Sommer gehörte Lichtenrade zum amerikanischen Sektor und wir sollten wieder zur Schule gehen. Die Anmeldung und der erste Unterricht war in den Baracken in der Roonstrasse. Viele Schüler kamen mit Läusen nach Hause. Nach provisorischer Reparatur und gründlicher Reinigung, hauptsächlich durch die Eltern der Schüler, konnten wir wieder in unsere Schule einziehen. Die Schule war jetzt die 11. Grundschule. Rektor war Herr Kumrow. Ein netter älterer Herr, der für alle unsere Probleme immer ein offenes Ohr hatte.


Der Unterricht wurde in Schichten durchgeführt. Am Vormittag die Jungen und am Nachmittag die Mädchen. Die Woche darauf war es umgekehrt. Die Turnhalle wurde für die laufenden Pflichtimpfungen gebraucht. Denn ohne Impfschein gab es keine Lebensmittelkarten. Die letzte Impfung war gegen TBC und wurde von Dr. Kollwitz ausgeführt. Unser erster Unterricht war im Keller. Nebenan war die Ausgabe der Schülerspeisung. Der Klassenraum war, auch mit älteren Jahrgängen, die nicht am Unterricht interessiert waren, stark überfüllt. Die „Lehrer“ wurden ständig ausgewechselt. Unsere erste Klassenlehrerin war Frl. Puhlmann, ein älteres Fräulein, die tolle Reiseerlebnisse erzählen konnte. Durch ständige Tests wurden die Schüler auf neue Klassen verteilt und der Unterricht wurde wieder interessant. Die alten Schulbücher durften nicht mehr benutzt werden und die neuen waren noch nicht vorhanden. Schulhefte und Stifte waren Spenden aus dem Ausland. Unsere waren aus Canada.

1946 Der nächste Lehrer war Herr Gernoth. Der nur als Aushilfe angestellt war, dem aber ein eine Festanstellung zugesagt wurde, wenn er uns in nächster Zeit zu einer angemessenen  Leistung bringen würde. Nach kurzer Zeit wurde er unser Klassenlehrer. Der dann für uns ein Ferienlager nach Nikolskoe organisierte. Er wurde von uns dafür heimlich „Atze“ genannt. Der Unterricht begann sich langsam zu normalisieren. Wir hatten wieder Sport. Der Sportlehrer war Herr Bombitski. Englisch sollten wir bei Frl. Braun haben, aber trotz neuster Bücher aus England hatten wir nur 5 Unterrichtsstunden in dem Schuljahr. Gemeinschaftskunde und Geschichte hatten wir bei Herrn Tüllmann, von uns „Tülle“ genannt. Er war ein toller Lehrer der Neuzeit. Er hat den tollsten Unterricht abgehalten und versucht uns das neue Grundgesetz begreifbar zu machen. So ist aus einer der schlechtesten Klasse nach dem Krieg, beim nächsten Test die beste geworden. Wir durften dann die erste Klassenfahrt unserer Schule nach Hütten im Fichtelgebirge machen.

1947 Herr Gernoth blieb unser Klassenlehrer. Ein Teil Lehrbücher haben wir in einem Verlag in Ostberlin besorgt. Ich kann mich da an das Tabellenbuch von Friederich erinnern. In der Zwischenzeit waren auch Schüler aus Mahlow und Rangsdorf in unserer Klasse. Unsere Klasse war in dem Schuljahr wieder sehr erfolgreich. Der Höhepunkt in diesem Jahr war eine Klassenreise nach Kronach. Zwei Wochen in der Jugendherberge auf der Feste Rosenberg und zwei Wochen in mitgebrachten Zelten im Wald. Die Lebensmittel haben wir zusammengebettelt und in der Jugendherberge eine Frau zum Kochen eingestellt. Im Zeltlager war dann selber Kochen angesagt.


Schule 1962

1948 war wieder für die ganze Klasse, trotz Berlin-Blockade, ein erfolgreiches Schuljahr. In meinem Zeugnis stand: wird aus der Klasse 7b in die Klasse 9a versetzt! Herr Tüllmann hat es möglich gemacht, dass wir den Ablauf der Luftbrücke auf dem Tempelhofer-Flughafen aus nächster Nähe erleben konnten und bei der Gelegenheit den Piloten Gail Halvorsen in seinem Flugzeug begrüssen durften.

In der 9. Klasse war der Unterricht auf die Berufsvorbereitung ausgerichtet. Die Klasse 9a und die Klasse 9b haben jeweils eine AG (Aktiengesellschaft) gegründet, die Geschäftsverbindung unterhielten. Jede Firma hatte eine Buchhaltung  und eine Fabrikation. Bei uns waren es Übersetzungsgetriebe. Es wurden Angebote und Rechnungen geschrieben.

DANKE für den Bericht und für die Fotos (sofern nicht extra gekennzeichnet), lieber Erhard Scheffler!


 

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