Freude in Lichtenrade, aber nicht nur …

Berlin-Lichtenrade, 12. April 2012 Wie wir heute vom Landesdenkmalamt Berlin erfahren haben, ist das ehemalige Haus Buhr, mit dem angrenzenden Garten, am 22. Februar 2012 als Baudenkmal anerkannt worden.

Somit ist das Wirtshaus zusammen mit dem S-Bahnhof Lichtenrade und der ehemaligen Mälzerei, die bereits seit Jahren unter Denkmalschutz standen, als ein neu gebildetes Ensemble in die Berliner Denkmalliste eingetragen worden.

Die Pläne, für das bisher vom Großinvestor Dr. Harald Huth (High Gain House Investments) geplante Einkaufszentrum, sind nur noch für den Papierkorb geeignet. Es gab in Lichtenrade große Aufregung, dass das geplante Einkaufszentrum noch mehr Verkehr anzieht und zum Beispiel auch die bestehenden Einzelhandelsstrukturen zerstören könnte.

Die Ökumenische Umweltgruppe Lichtenrade kämpft schon einiger Zeit beim Haus Buhr für die Anerkennung als Baudenkmal, weil das ehemalige Gasthaus nach den letzten Plänen abgerissen werden sollte. Die Umweltgruppe wollte auch nur ein Einkaufszentrum, dass die Interessen der Menschen mit einbezieht und das Gelände um die alte Mälzerei auch eine Art „Marktplatz der Begegnung“ wird. Die Umweltgruppe und auch viele Lichtenrader freuen sich nun, weil die bisherigen Pläne aus Denkmalschutzgründen so sicherlich nicht mehr umgesetzt werden können.

Aber es gibt nicht nur ungetrübte Freude, weil das Gebiet um das ehemalige Wirtshaus, und auch das Wirtshaus selbst, verwahrlost, verfallen und nicht gepflegt ist. Man kann hier schon fast von einem Schandfleck in Lichtenrade sprechen.

Das Landesdenkmalamt begründet die Entscheidung mit der besonderen geschichtlichen Bedeutung: „In der Bahnhofstraße, heute wichtigste Einkaufsstraße und die Promeniermeile Lichtenrades, erinnert das Wirtshaus mit seinem großen, baumbestandenen Garten noch an die Entstehungszeit der Straße in der unbebauten Lichtenrader Feldmark, die Ziel von Wochenendausflüglern war.

Bahnhof, Wirtshaus und Mälzerei sind die ersten baulichen Zeugnisse des ab 1900 sich neu entwickelnden Ortskerns westlich des Dorfs. Sie
haben die Entwicklung Lichtenrades entscheidend befördert und geprägt. Sie waren die Keimzelle der Entwicklung Lichtenrades zum Berliner Vorort, letztendlich die Voraussetzung, dass Lichtenrade 1920 zu Berlin eingemeindet wurde.

Es ist ein besonderer Glücksfall, dass hier die drei Faktoren Verkehrsanbindung, Publikumsmagnet, Industrie, anschaulich verkörpert durch unmittelbar benachbarte Baulichkeiten, bis heute nachvollziehbar sind.“

Die Frage ist, ob man einen Investor findet, der nicht nur die alte Mälzerei zum Leben erweckt, sondern auch das marode ehemalige Haus Buhr denkmalgerecht saniert. Investor Huth hatte für dieses Gebäude und auch das dahinter liegende Hochhaus dem Abriss geplant. Die Mieter dieses 1. Lichtenrader Hochhauses freuen sich und haben mit der Entscheidung zumindest einen Aufschub erhalten.

Wir werden die Entwicklung beobachten und auch sehen, wie sich die Bezirkspolitik der veränderten Lage stellt. Die Lichtenrader wünschen sich umsichtige Entscheidungen, bei denen Bürgerinnen, Bürger und Verkehrsfachleute mit einbezogen werden. Eines ist sicher, dass das gesamte Grundstück, aber auch die Bahnhofstraße neue Ideen gut gebrauchen kann. Die Umweltgruppe und auch die Bürgerinitiative „Rettet die Marienfelder Feldmark“ machen sich auch seit einiger Zeit Gedanken zur Zukunft der Einkaufsmeile und schlagen beispielsweise eine „Begegnungszone“ vor. Die „Begegnungszonen“, wie sie teilweise in den Niederlanden und der Schweiz existieren, sollen eine „nachhaltige Koexistenz und ein barrierefreies Zusammenleben“ erreichen. ToM

Erläuterungen (wesentliche Auszüge) vom Landesdenkmalamt Berlin zum Wirtshaus Lichtenrade:

„Die Anlage besteht aus einem zweigeschossigen, massiven Gasthaus mit ausgebautem Fachwerkdachgeschoss mit dem Giebel zur Straße stehend und rechtwinklig dazu einem zurückliegenden eingeschossigen Tanzsaal längs zur Straße... Ein Bauantrag von 1904 zeigt die bestehende Dachkonstruktion im Querschnitt: eine Hänge-Sprengwerk, das den 9,50 x 15,50 m großen Saal stützenfrei überdeckt mit zum Innenraum hin vermutlich sichtbaren verzierten Hölzern.

Das Wirtshaus, betrieben von Rudolf Deter, musste 1899, bereits fünf Jahre nach der Eröffnung, erweitert werden: im Januar wurde an den Tanzsaal, bündig zu dessen Westwand, ein kleinerer Bau mit nach Norden ablaufendem, flachem Pultdach zur Aufnahme zweier weiterer Gasträume (1925 vereinigt zum „Kleinen Saal“) angebaut …Eine Postkarte von 1906 zeigt, dass auch im Norden der Wirtschaft Gartenbetrieb herrschte, bis ans Ufer eines Ruderteichs, der zwischen Gasthaus und Mälzerei angelegt war. Der Teich, der bis an die Grenze des Bahngrundstücks reichte, ist noch auf einem Lageplan von 1937 eingetragen.

Im straßenseitigen Winkel zwischen Gasthaus und Tanzsaal befand sich ursprünglich eine zusätzliche massive eingeschossige, zweiachsige Gaststube und daneben eine kleine Veranda in offener Holzkonstruktion. 1904-05 wurde die Veranda durch eine größere und verglaste Holzkonstruktion ersetzt. Sie war bereits 1923 nicht mehr vorhanden, vermutlich infolge eines Besitzer- und Nutzungswechsels.

Die jüngeren Baumaßnahmen hinterließen keine größeren Eingriffe in der Substanz. Die aufgelockerte, aus verschiedenen Bauteilen malerisch gruppierte Anlage wuchs zu einem kompakten, etwa quadratischen Grundriss, indem die rückspringenden Winkel mit Anbauten bündig ausgefüllt wurden …

1921 erwarb der Mannheimer Kaufmann Jacob Feitel Mälzerei und Wirtshaus und ließ 1922 durch Gustav Haufe das Gasthaus zu Wohnräumen umwandeln, jedoch ohne größere bauliche Änderungen. 1936 muss der Jude Feitel die Mälzerei an die Berliner Schloßbrauerei A. G. verkaufen. Seine Erben in Buenos Aires erhalten 1952 eine Entschädigung.

Ab 1933 ist in den Bauakten wieder Gaststättennutzung belegt und verschiedene kleinere Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen. Als Betreiber wird Willi Schütz genannt.

Nach 1945 Eigentumswechsel an die Familie Buhr.

An die rückwärtigen Anbauten wurden zusätzliche, unbedeutende Erweiterungen angefügt.

In den 1960er Jahren finden zahlreiche Veränderungen statt:

Das Gasthaus erhält die Konzession für Hotelbetrieb, zunächst die vier Zimmer der Gastwirtswohnung im Obergeschoss ohne bauliche Änderung. 1965 wurde der Hotelbetrieb auf das Dachgeschoss ausgedehnt, wobei seitliche Dachgauben angelegt wurden.

An der Stelle der ehemaligen Veranda entsteht ein neuer eingeschossiger massiver Vorbau mit vier großen Panoramafenstern zur Bahnhofstraße, der alternativ als Gastraum oder Saalfoyer genutzt werden konnte. Auch die alte massive Gaststube im Winkel zwischen Saal und Gasthaus ging in diesem Vorbau auf. Im Keller unter dem Vorbau wurden Garderobe und Toiletten eingerichtet.

Anfang der 1970er Jahre wurde das Innere des Tanzsaals neu gestaltet. Die Wände wurden mit senkrechten Paneelbrettern aus Kanadisch-Rotbaum verkleidet, die Decke erhielt eine helle, plastisch strukturierte Akustikdecke mit vertieftem Deckenspiegel.

Überlieferungszustand

Der einzige verlorene Teil der ursprünglichen Anlage ist der eingeschossige straßenseitige Trakt vor dem Tanzsaal. Der an seiner Stelle angefügte Vorbau ist zeittypisch für die 1960er Jahre, jedoch in der Kubatur ganz dem vorhergehenden Bau angepasst. Der übrige alte Bestand ist trotz der verschiedenen Erweiterungen noch gut ablesbar erhalten ...Der Tanzsaal besitzt über dem alten Parkettboden vermutlich noch die originale imposante Dachkonstruktion. Das verraten die erhaltenen profilierten Sparrenköpfe und der vertiefte Deckenspiegel, der der Kontur der ursprünglichen Deckenkonstruktion folgt. Gasträume und Küchen besitzen betriebsbedingt erneuerte Wandgestaltungen, aber auch noch mehrere ursprüngliche Türen. Besonders beim Gasthaus gibt es insgesamt auch noch reichlich erhaltene Details, die das Flair der Erbauungszeit vermitteln, im Äußeren in erster Linie das gut erhaltene Schmuckfachwerkdachgeschoss und die fast vollständig erhaltenen alten Fenster. An der Rückfassade sind noch die ursprünglichen Gliederungselemente der massiven Geschosse vorhanden, plastisch vorspringende horizontale Bänder und ein Fensterschlussstein aus Stuck (Reste von horizontalen Bändern auch noch an der Ostfassade des Tanzsaals). Im Inneren existiert die alte Treppe und die Einteilung der Obergeschoss- und Dachgeschosswohnung mit erhaltenen Fenstern mit Zierbeschlägen, Türen und Böden.

Der alte Wirtshausgarten östlich der Anlage ist mit acht Reihen Linden bestanden, laut Bebauungsplan XIII-31 vom 22.1.1958 insgesamt 59 Bäume. Alte Bäume befinden sich aber auch westlich und nördlich der Anlage …“

Weitere Informationen zu den bisherigen Überlegungen findet man in der „Internetzeitung“ von www.lichtenrade-berlin.de!

Ergänzung: Unter der Überschrift „Zentrum Lichtenrade - Perspektiven entwickeln!“ wurde der Antrag der SPD-Bündnis 90/Die Grünen einstimmig, im Rahmen der Konsensliste, im Februar 2012 von der BVV Tempelhof-Schöneberg beschlossen:

Der Änderungsantrag der Fraktion der CDU wird von den antragstellenden Fraktionen der SPD und GRÜNEN übernommen.

Einstimmiger Beschluss – Konsensliste:

Die BVV ersucht das Bezirksamt zur zukünftigen Entwicklung des Stadtteilzentrums Lichtenrade / Bahnhofstraße eine Standortkonferenz zu initiieren, an der örtliche Initiativen, Gewerbetreibende, Grundstückseigentümer, Vertreter politischer Parteien sowie sonstige interessierte Bürger zu beteiligen sind (1. Stufe einer Perspektivenwerkstatt). Ziel der Standortkonferenz ist die Entwicklung eines längerfristigen Leitbilds für den Standort, aus dem sich die Handlungsfelder "Private Investition", "Öffentliche Investition Straßenland" sowie "Bauleitplanung" ableiten.

Auf Grundlage der Erkenntnisse soll die konkretisierende Planung für das Gebiet "Alte Mälzerei" und ggf. erforderliche weitere Schritte zur Neuordnung des Gebiets erfolgen. Die vorgeschriebene Bürgerbeteiligung des Verfahrens ist aktiv auszugestalten (2. Stufe der Perspektivenwerkstatt).
Für die formale Durchführung der Standortkonferenz ist zunächst ein organisatorisches und finanzielles Konzept zu erarbeiten und der BVV bis Juni 2012 vorzulegen.

Alle Fotos: BerLi-Press


 

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