Das Nachbarschafts- und Selbsthilfe-Zentrum in der ufaFabrik e.V. feierte am 16. November sein 30-jähriges Jubiläum. Es gab kleine und große Geschenke, das größte überreichte sicherlich Thomas Rossmann, Direktor bei der Berliner Sparkasse.

Er brachte einen Scheck über 8.000 Euro mit, über den sich die beiden Geschäftsführerinnen Sigrid Zwicker und Renate Wilkening natürlich sehr freuten. Wie bei jedem freien Träger der Jugend- und Sozialhilfe steht neben den eigentlichen Aufgaben auch immer das Akquirieren von Geld im Mittelpunkt. Da ist es sinnvoll, wenn jemand wie Renate Wilkening Bankerin und Sozialarbeiterin gelernt hat.
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Zur Jubiläumsfeier kamen Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (oben) und Jugendstadtrat Oliver Schworck sowie die Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Prof. Barbara John (unten).

In diesem Verband ist das NUSZ ebenso Mitglied wie im Verband für sozial-kulturelle Arbeit, dessen neuer Vorsitzender Thomas Mampel, ebenfalls teilnahm.
Renate Wilkening fasste den Nachmittag mit den circa 110 Gästen in Facebook wie folgt zusammen: "Die Grußworte unserer Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler, der Vorsitzenden des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin Prof. Barbara John, des Vorsitzenden des Verbands für sozial-kulturelle Arbeit Thomas Mampel, der Vorsitzenden des NUSZ Gudrun Chen-Wagner, des Vorstands der ufaFabrik Sigrid Niemer und dem allseits bekannten Juppy erfreuten die Geschäftsführerinnen Renate Wilkening und Sigrid Zwicker sowie die anwesenden Mitarbeiter_innen außerordentlich. Für Unterhaltung zwischen den Reden sorgten die Band "Cube Box" aus dem Jugend- und Kulturzentrum Spirale, Jonglage von Fayen und Florian sowie Shito Ryu von Mitgliedern des Shi Shi no Dojo e.V. Den lautesten Trommelwirbel veranstalteten allerdings Terra Brasilis.Durch das Programm führte souverän unser Kollege Dennis Weil mit Unterstützung von Clownin Jana. Das Fest setzte sich fort mit netten Gesprächen bei einem Glas Wein oder Saft und leckerem Fingerfood von Kiezküchen e.V. und einer Geburtstagstorte."
NUSZ ist in allen wichtigen Netzwerken vertreten und zwar weltweit. Und NUSZ ist Bestandteil der ufaFabrik, die sich wiederum in viele kleine und große Gesellschaften gliedert. Neben dem NUSZ e.V. gibt es den ufaFabrik e.V., den Internationales Kultur Centrum ufaFabrik e.V., die Freie Schule in Berlin e.V. und den ufaFabrik Circus e.V., um nur einige Gliederungen zu nennen.
Wer geglaubt hatte, dass 1979 eine Gruppe von langhaarigen, leicht bekifften und verpeilten jungen Leuten mal eben ein riesiges Gelände am Teltow-Kanal, in dem früher Filme der Ufa gezeigt und kopiert wurden, friedlich instand besetzen wollte, der wurde bald eines besseren belehrt. Gutmenschen sind sie alle, bis heute, aber auch knallharte Geschäftsleute, die sich die Butter nicht vom Brot nehmen lassen. Inzwischen sind die Kinder der Gründer von 1979 ins Management der ufaFabrik-Gruppe aufgerückt. Sigrid Niemer und Juppy Becher, Frau und Mann der ersten Stunde, bekleiden heute Vorstandsfunktionen bei der ufa, und Sigrid Zwicker, auch von Anfang an dabei, ist Geschäftsführerin des NUSZ. Es ist unglaublich, was die ufa-Kommunarden in den knapp 40 Jahren auf die Beine gestellt haben.

Ein schönes Fest vor dem Nachbarschaftszentrum... (Foto Moser)
In diesem Beitrag geht es aber um das NUSZ, das ufa-Jubiläum feiern wir dann ausgiebig 2019. Nachfolgend ein paar Stationen des NUSZ von den Vor-läufen ab 1976 bis heute. Schon zwischen 1976 und 1986 entstehen zahlreiche Selbsthilfegruppen aus dem Bedürfnis heraus, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen und gemeinsame Träume und Visionen zu verwirklichen.


Fotos Thomas Moser
1985 beginnt die pädagogischen Betreuung und Instandsetzung des Kinderbauernhofes mit Tieren, die sonst in der Stadt nicht so leicht anzutreffen sind: Schweine, Hühner, Kaninchen, Ponys, Gänse.
1987 dann die Gründung des Vereins. Schon im Oktober werden die neu ausgebauten Räume eingeweiht. Mit dem Treffpunkt für Schwangere fängt alles an.
1988   Entwicklung eines Projektes zur Unterstützung von alleinerziehenden Frauen. Der Familienpflegedienst, entstanden aus der Selbsthilfegruppenarbeit mit Alleinerziehenden, geht an den Start.
Das NUSZ expandiert auf dem ufa-Gelände.
1990 werden neue Räume in einer ehemaligen Lagerstätte für Filmmaterial zu Trainingsräumen für Tanz, Bewegung, Percussion ausgebaut. 1993 entsteht die „SchreiBabyAmbulanz“, die restlos überforderten Eltern bei der Bewältigung ihrer Probleme helfen soll.
1996 Tauschring Tempelhof, Fähigkeiten und/oder Waren miteinander in einem Pool tauschen ohne Geld.
1997 Gründung: Seniorenselbsthilfeprojekt Bauernhofclub - intergenerative Kultur- und Begegnungsstätte für Alt und Jung als Möglichkeit über das Medium Tier praktischen Austausch mit jüngeren Menschen zu entwickeln.
1998 Durch Initiative und in Trägerschaft des NUSZ beteiligt sich Berlin mit zahlreichen Kooperationspartnern erstmalig an den Netdays Europe, einer Initiative der Europäischen Kommission zum Lernen in der Informationsgesellschaft, die Kindern, Eltern, Lehrer, Jugendarbeiter, Jugendliche mit den Chancen und Herausforderungen der Informationsgesellschaft im Hinblick auf zukünftige berufliche Anforderungen vertraut macht. 
1999 Nachtmütterservice, Kinderbetreuung rund um die Uhr – damit sich Beruf und Familie besser vereinbaren lassen. Ziel dieses Projektes ist es, für Frauen und Männer, die beruflich sehr flexibel sein müssen Kinderbetreuung nach Bedarf anzubieten. 
2000 Gründung Nachbarschaftstreffpunkt Lichtenrade in Kooperation mit der evangelischen Kirchengemeinde Lichtenrade Ost.
2001 Übernahme der noch im Bau befindlichen Kindertagesstätte Kita Manfred-von-Richthofen-Straße. Eröffnung 2002.
2003 Kooperationsvertrag mit Outreach (Verband f. sozial-kulturelle Arbeit) zur gemeinsamen Arbeit mit prob-lematischen Jugendlichen.
Das NUSZ wird Schwerpunktträger im Verbund der Ambulanten Hilfen zur Erziehung im Ortsteil Tempel-hof.
2004 Der Nachbarschaftstreff Britzer Straße (NBT) mit 16 Nationen in engster Nachbarschaft kommt in die Trägerschaft des NUSZ. Es folgt die Wiedereröffnung des Boseclubs, der gemeinsam vom NUSZ, von K.I.D.S. e.V. und vom Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg unterhalten wird.
Die Kindertagesstätte Luckeweg (jetzt Kita Vier Jahreszeiten) wechselt auf eigenen Wunsch vom bezirklichen Träger zum Nachbarschaftszentrum und wird zur Nachbarschaftskita mit Elternhotel und Bildungsangeboten für Eltern.
2006 Eröffnung OGB Schulburg an der Grundschule auf dem Tempelhofer Feld.
2008 Das NUSZ übernimmt als Kooperationspartner der Tempelherren Grundschule die offene Ganztagsbetreuung. Bis 200 Kindern können Angebote der aktiven Freizeitgestaltung nutzen.
2009 Übernahme des  Jugendkellers Lichtenrade, Jugendfreizeiteinrichtung. Übernahme des Kinderladens in der Apostel-Paulus-Straße, der unter der NUSZ Trägerschaft zur Sternenkita wurde. Die kleine Einrichtung hat Platz für 15 Kinder und ist seit 2010 „Haus der kleinen Forscher".

Foto Thomas Moser
2010
Interkultureller Generationengarten Lichtenrade. In Kooperation mit der Bürgerinitiative „Rettet die Marienfelder Feldmark“ erschließt das Nachbar-schaftszentrum 5.000 qm Brachland einer ehemaligen Kompostieranlage. Schülerclub Villa an der Rudolf-Hildebrand GS und Schülerclub an der Carl-Sonnenschein GS werden vom NUSZ übernommen. Das Angebot: Jugendarbeit an Schulen. Die Jugendfreizeiteinrichtung Sonnetreff des Jugendamts Tem-pelhof-Schöneberg wird mit einer NUSZ Mitarbeiterin unterstützt. Die Jugendfreizeiteinrichtung „3D Medienhaus Marienfelde" geht aus öffentlicher in die private Trägerschaft des NUSZ über.
Mit der Übernahme des Jugend- und Kulturzentrum Spirale in Wilmersdorf ist das NUSZ erstmals außerhalb von Tempelhof-Schöneberg vertreten, Kooperationspartner (ASP) ist das Nachbarschaftsheim Schöneberg. Der ambulante Pflegedienst hat sich vergrößert und zieht in einen Laden in der Viktoria-straße 8 gegenüber vom ufa-Gelände.
2011 Der ambulante Pflegedienst schließt einen Kooperationsvertrag mit Berlin Recycling für die Kinderbetreuung von Mitarbeitern.

Vor 5 Jahren...

Renate Wilkenig, Angelika Schöttler, Sigrid Zwicker (v. lks.) - Fotos Thomas Moser
2013 Die Jugendfreizeiteinrichtung  Sonnetreff geht in die Trägerschaft des NUSZ über.  Übernahme der Kindertagesstätte in der Blohmstraße mit 60 Betreuungsplätzen im Mai 2013.
2014 Übernahme der Trägerschaft der Kinderfreizeiteinrichtung Abenteuerspielplatz im Güntzelkiez in der Holsteinischen Straße in Wilmersdorf.
Anfang August 2014 wird das NUSZ beauftragt mit der Einrichtung der Registerstelle für den Bezirk Tempelhof-Schöneberg zur Erfassung rassistischer, antisemitischer, rechtsextremer und diskriminierender Vorfälle im Bezirk. Auch in die Arbeit mit Geflüchteten bringt sich das NUSZ ein.

An dieser Stelle könnte man sagen und so weiter und so weiter…

Renate Wilkening und Sigrid Zwicker haben auch nach 30 Jahren ihre Energie und Kreativität nicht verloren. Das NUSZ ist zu einem der wichtigsten Träger der Jugend- und Sozialhilfe im Bezirk Tempelhof-Schöneberg und darüber hinaus geworden. Thomas Mampel, Vorsitzender des Verbands für sozial-kulturelle Arbeit fasste die Aktivitäten des NUSZ so zusammen: „Von der Wiege bis zur Bahre“ und fragte, hoffentlich scherzhaft, wann das NUSZ einen Friedhof eröffnen wird.

Es ist tatsächlich so, obwohl der Spruch abgedroschen klingt, aber gäbe es das NUSZ nicht, man müsste es sofort gründen. Das haben aber glücklicher Weise die langhaarigen und keineswegs verpeilten Gründer-Mütter und Väter vor 30 Jahren schon erledigt. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und immer wieder Besuche von Direktor Rossmann mit dicken Schecks.

Ed Koch (Zusammenstellung und Fotos, sofern nicht gesondert gekennzeichnet) Quelle: NUSZ
https://www.nusz.de/start/

Rückblick und 25 Jahre NUSZ – Ein Interview

Zum Jubiläum ist eine dicke Broschüre erschienen, die alle Aktivitäten des Nachbarschafts- und Selbsthilfevereins der ufaFabrik ausführlich darstellt. Die beiden Geschäftsführerinnen, Renate Wilkening und Sigrid Zwicker, äußern sich in Interviews über ihre Arbeit.

Mit freundlicher Genehmigung des NUSZ hat Paper Press das Interview veröffentlichet; dies wollen wir hier auch nicht vorenthalten:

Vor 25 Jahren wurde das NUSZ als Verein gegründet. Seitdem ist das Nachbarschaftszentrum kontinuierlich gewachsen. 23 Einrichtungen gehören heute dazu. In welche Richtung möchten Sie sich weiter entwickeln?

Renate Wilkening: Mein Grundsatz ist: aktiv und aufmerksam in der Gegenwart sein, nach vorn schauen und dabei das Positive, das wir in den vergangenen 25 Jahren geschaffen haben, bewahren. Weiterentwicklung beinhaltet für mich mehrere Aspekte: zum einen die Weiterentwicklung der Angebote für unsere Nutzer inklusive der Verbesserung der Räumlichkeiten. Zuletzt geschehen im Familientreffpunkt, den wir mithilfe des Konjunkturprogramms barrierefrei und energiesparend umgebaut haben. Eine wirkliche Weiterentwicklung, die zum Wohlgefühl unserer großen und kleinen Besucher beiträgt. Zum anderen die persönliche Weiterentwicklung: Ich habe in den zurückliegenden Jahren unendlich viel gelernt. Zum Beispiel turbulenten Situationen mit Gelassenheit und Ruhe zu begegnen und zu wissen: Wir sind ein starkes Team. Wir können uns aufeinander verlassen und bewältigen den Alltag miteinander. Weiterentwicklung heißt auch, unseren Mitarbeitern alle Möglichkeiten zu bieten, mit Freude und Elan ihre Arbeit zu tun, sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln. Dazu gehören: Fort- und Weiterbildung, Zeit für Gespräche, Unterstützung in Problemsituationen, familienfreundliche Arbeitsbedingungen. So können Mitarbeiter teilweise Zuhause arbeiten, wenn ihre Familiensituation dies erfordert. Am Herzen liegt mir, unsere jungen Leute zu fördern, damit sie später den Staffelstab von uns übernehmen können, unsere Vision und Mission weiterleben und mit Mut und Freude das NUSZ weiterführen.

Geht es im Wachstum weiter?

Renate Wilkening: Behutsames Wachstum ist für mich das Gebot der Stunde. Das Wichtigste: Räume und Angebote in unseren 23 Einrichtung bedarfsgerecht so zu gestalten, dass sich unsere Besucher und Nutzer wohl fühlen. Es ist regelmäßig zu prüfen, was wir wo verbessern können. Bevor wir ein neues Projekt starten, schauen wir genau hin und fragen: Passt dieses Projekt, diese Einrichtung zu uns? Wenn Menschen sich für ihre Sache, für eine lebenswerte Umwelt, für ein freundliches, respektvolles Miteinander engagiert einsetzen, können Sie sicher sein: Das Nachbarschaftszentrum wird sie unterstützen!

Jeder, der ein Projekt auf die Beine stellen will und dabei Hilfe braucht, kann Sie ansprechen?

Renate Wilkening:

Ein Beispiel: Engagierte Eltern haben an einer Grundschule ein wundervolles Musikprojekt mit den Schülern konzipiert, eine Theaterpädagogin gewonnen, und wir haben die erforderlichen finanziellen Mittel eingeworben. So kam „Music of my life“ auf die Bühne.

Was ist für Sie das Besondere am NUSZ?

Renate Wilkening: Die Lage und das Gesamtkunstwerk ufafabrik! Dieses wunderschöne Gelände: 16.000 Quadratmeter groß, mitten im Stadtteil, traumhaft gelegen am Teltow-Kanal. Ein Dorf voller Flair und Charme, mitten in der Stadt – mit Bäckerei, Bio-Laden, einem Restaurant, der Kinderzirkusschule und dem Nachbarschaftszentrum mit dem Kinderbauernhof, den Tanz- und Musikstudios, dem Dojo und dem Familientreffpunkt. Und das ganze Jahr über Kultur- und Musikveranstaltungen auf vier Bühnen. Für ein Nachbarschaftszentrum ist das schon einmalig. Es geht so in die Richtung „Settlement“, wie wir es von den „Ur“- Nachbarschaftshäusern aus England und den USA kennen: miteinander leben, arbeiten, künstlerisch aktiv sein, feiern und füreinander da sein.

25 Jahre aktiv im Stadtteil – und nicht nur das: Sie sind ja auch international aktiv. Wie sieht Ihr Engagement auf internationaler Ebene aus?

Renate Wilkening: Nachbarschaft hört nicht an den Grenzen des Bezirks, der Stadt oder des Landes auf. Nachbarschaft kann man weiter denken: unsere Nachbarn in Europa, unsere Nachbarn weltweit.  Wir sind Mitglied im weltweiten Verband der Nachbarschaftszentren IFS (International Federation of Settlements and Neighborhood Centers). In jeder Mitgliedseinrichtung des IFS sind Nachbarn aus aller Welt willkommen. Wenn also ein Besucher oder Mitarbeiter eines Nachbarschaftszentrums aus Toronto, New York, Tel Aviv, Indien oder Spanien Berlin besuchen möchte, kann er sich an das NUSZ wenden. In der Regel holen wir die Gäste vom Flughafen oder Bahnhof ab, bringen sie in ihre Unterkunft, ermöglichen die Teilhabe an den Aktivitäten unseres und anderer Nachbarschaftshäuser und helfen ihnen, sich in der fremden Umgebung heimisch zu fühlen. Dies ist ein IFS-Projekt mit dem Namen „VIN – Very Important Neighbor“. Wir organisieren mit unseren Partnerorganisationen internationale Austauschprogramme für unsere Fachkräfte und für alle Interessierte. Wir erfahren, wie andere das machen: Wie organisieren sie Bildung und Betreuung? Wie sind ihre Schulsysteme? Wie organisieren sie die Gemeinwesenarbeit? Wie wird Inklusion gelebt? Wer ist wie einbezogen? Alte, Junge, Kranke, Gesunde. Dieser Austausch ist fruchtbar für unsere Mitarbeiter. So manches Problem relativiert sich, wenn wir sehen mit welch geringen Mitteln aber großem Enthusiasmus zum Beispiel Nachbarschaftsarbeit in Rumänien oder Indien läuft. Auch zu uns kommen Fachkräfte, Praktikanten und junge Menschen aus aller Welt, um Erfahrungen zu sammeln und zu erleben, wie wir unsere Arbeit machen. Eine kleine Geschichte zum Schluss: Am 1. Juni dieses Jahres – einem stürmischen Tag – haben wir den Internationalen Tag der Nachbarn gefeiert. Kinder und Eltern haben Hunderte von Luftballons in die Luft steigen lassen. Zwei Tage später bekamen wir eine EMail: Eine Lehrerin aus einem polnischen Dorf, 400 km von Berlin entfernt, schrieb uns, der Ballon sei bei ihnen gelandet und sie seien begeistert von der Idee des Festes der Nachbarn. Seit diesem Tag sind auch wir gute Nachbarn und pflegen zunächst via Internet den Gedankenaustausch und die Kommunikation.

Wie ist das NUSZ entstanden?

Sigrid Zwicker: Aus dem Bedürfnis, das eigene Leben selbst in die Hand zu nehmen und gemeinsam Träume und Visionen zu verwirklichen, entstehen in den 70er und 80er Jahren zahlreiche Aktivitäten unter dem Dach des Vereins „Fabrik für Kultur, Sport und Handwerk“, der späteren ufafabrik. Kultur-, Gesundheits- und Selbsthilfeinitiativen sowie Gruppen für asiatische Kampfkünste, wie Aikido und Karate beleben die alten Lagerhallen des ehemaligen UFA-Kopierwerks in Berlin- Tempelhof und finden regen Zulauf. Seit 1987 ist es die Aufgabe des NUSZ, die freizeitlich organisierten Gruppen zu unterstützen, Gebäude instand zu setzen, und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, um auch zukünftig die Teilhabe zu ermöglichen.

Wie ging es weiter?

Sigrid Zwicker: Das Nachbarschaftszentrum entfaltet sich entsprechend den Bedürfnissen der Benutzer. Neue soziale Hilfen entstehen: Kinderladen, Familienpflege, Familienunterstützung und Beratungsangebote. Die Gebäude werden nach und nach instand gesetzt. Kulturgruppen nutzen die enge räumliche Verbindung mit den weiteren Einrichtungen der ufafabrik, beispielsweise dem ufafabrikCircus und dem internationalen Kultur-Centrum ufafabrik. Dies erlaubt immer wieder neue, vernetzte Projekte: Feste und Veranstaltungen bieten Auftrittsmöglichkeiten, internationale Artisten unterrichten im NUSZ, Ehrenamtliche des Bauernhofclub organisieren generationsübergreifende Kulturcafés, die Talentshow „Action House Party“ gibt Übenden Gelegenheit, auf einer Profi-Bühne ihr Können zu präsentieren. Im NUSZ probt auch die international aktive Sambaband Terra Brasilis und der ufafabrik KinderCircus bietet Kindertraining an. Die inklusive Samba- Trommelgruppe „Auf alle Felle“ begeistert 2012 bei Stadtteilfesten. Kultur- und Interessengruppen bieten eine Möglichkeit für jeden die eigenen Soft Skills zu schulen. Ob mit Patchwork, mit der Stimme, mit einem Instrument oder in der Bewegung – die eigene kulturelle Betätigung ist eine großartige Kommunikatorin für das friedliche Zusammenleben von Menschen. Sie übt Ausdauer, Geduld und Präzision, macht Spaß, hält wach und neugierig.

Das NUSZ ist auch Mitglied im Verband für sozialkulturelle Arbeit, dem Fachverband der Nachbarschaftsheime und -zentren. Was ist sozial-kulturelle Arbeit?

Sigrid Zwicker: Die sozial-kulturelle Arbeit ist eng verbunden mit dem Gedanken des Zuganges zu Bildung und mit dem Ziel, durch Begegnungsangebote und gegenseitige Unterstützung die eigene Lebenssituation zu verbessern. Im Fokus ist die Teilhabe unter Beachtung der sich wandelnden Lebenskonzepte! Es entstehen immer wieder neue Herausforderungen, die wir mit Leben füllen. So beispielsweise die Inklusion.

Was bedeutet Inklusion?

Sigrid Zwicker: Inklusion kommt von lateinisch inclusio und bedeutet Einbeziehung. Gemeint ist die Teilhabe aller Menschen an Bildung und Lebenslangem Lernen. Inklusion ist aufgrund der UN-Behindertenkonventionen auch geltendes Recht in Deutschland. Im Nachbarschaftszentrum sind von Beginn an auch behinderte Menschen grundsätzlich einbezogen: in Selbsthilfe-, Musik- und Tanzgruppen, in Gesundheitskursen und in den Kinderbetreuungseinrichtungen. Im Jahr 2011 realisierten wir das Pilotprojekt „Tempelhof Inklusiv“, in dem schwerpunktmäßig behinderte Erwachsene mit Lernschwierigkeiten einbezogen wurden.

Wie wird das konkret umgesetzt?

Sigrid Zwicker: Nach einer Bedarfserhebung werden die bestehenden Angebote Aikido, Free Dance und Yoga für die Zielgruppe geöffnet. Das Pilotprojekt „Tempelhof Inklusiv“ wurde gemeinsam mit dem Paritätischen Berlin, dem Bezirksamt Tempelhof Schöneberg und mit Beteiligung von Studierenden der Katholischen Hochschule für Sozialwesen unter der Leitung von Frau Prof. Monika Seifert angeschoben. Die wissenschaftliche Begleitstudie von Frau Dr. Seifert finden Sie auch auf www.nusz.de. Die Studie zeigt Bedürfnisse, Erfahrungen und gibt Anregungen aus dem Projekt Tempelhof Inklusiv.

Wie geht es weiter?

Sigrid Zwicker: Bildung, Teilhabe und Förderung sind wesentliche Voraussetzungen für die Wahrnehmung eigener Rechte und für eine reale Selbstbestimmung. Es gilt, dafür ein öffentliches Bewusstsein zu schaffen. Im Mai 2012 veranstalteten wir gemeinsam mit unseren Kooperationspartnern vom Runden Tisch „Teilhabe Jetzt“, das erste Inklusionsfest des Bezirkes Tempelhof-Schönberg in der ufafabrik. Für die ufafabrik heißt Inklusion auch, dass man trotz begrenzter finanzieller Möglichkeiten, Bedingungen anstrebt, die eine Teilhabe aller ermöglichen. Eine Kultur der Achtsamkeit und die Akzeptanz verschiedener Lebenskonzepte fördern das Miteinander, die Vielfalt und die Inklusion. In diesem Sinne sind wir: Offen für Alle.

 



 

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