Charlie, ein lebende Legende

Charlie Chaplin, die Quelle für Phantasie und Inspiration, ist lebendig wie je zuvor. Das jedenfalls glaubt man, wenn man dem Charlie Chaplin der ufa-Fabrik bei seiner künstlerischen Betätigung zuschaut. Mit viel Liebenswürdigkeit, gespielter Verlegenheit und jeder Menge Charme, nimmt er Kinder und Erwachsene mit auf eine ganz besondere Reise.

Wir treffen Claus Josef Richter – ganz ohne Maske- in der ufa-Fabrik. Claus Richter ist sehr zugewandt, lacht und schmunzelt gerne. Der Künstler grenzt sich von anderen Imitatoren ab und zeigt, wie unbeholfen sie watscheln und dann glauben Charlie Chaplin darzustellen. Charlie, wie Claus von seinen Freunden genannt wird, zeigt, wie der wahre Charlie geht. Ja, das ist das wirklich Besondere und man versteht sofort, warum Claus Richter der Charlie Chaplin aus Berlin geworden ist.

100 Jahre ist es her, wo der frühe Hollywood-Star von Stummfilmkomödien, Charles Spencer Chaplin, seine bekannteste Rolle als „Vagabund“ und Landstreicher „The Tramp“ mit viel würdevoller Haltung kreierte. Am 16. April 2014 wäre der britische Komiker, Schauspieler, Regisseur, Komponist und Produzent 125 Jahre alt geworden.

Charlie im „Auftrag der Sinne“ und die Clown-Schule

Charlie aus Berlin, der Ende des Jahres 60 Jahre alt wird, gehört zu den Ur-ufa-Fabrik-Recken, die das ehemalige Tempelhofer Grundstück vom UFA-Kopierwerk 1979 friedlich besetzten.


Claus Richter und Juppy
Claus Richter kommt, so wie der ufa-Fabrik-Impresario Juppy, aus Trier und hat circa 20 Jahre in der alternativen Szene gewohnt. Von seiner in der Nähe liegenden Wohnung kann Claus „Charlie“ oft zu seinen Freunden gehen.


Charlie mit Wowie - Klaus und Klaus -... zum 30. jährigen Jubiläum (re. Rudolf Brünger und Sigrid Niemer von der ufa-Fabrik)
Claus Josef Richter ist, wie er betont, „im Auftrag der Sinne“ unterwegs. Als Clown und Charlie Chaplin wird er bei Kindergeburtstagen, Betriebsfesten, Wohltätigkeitsveranstaltungen und anderen besonderen Anlässen gebucht.

Als Erstes erzählt Claus von dem Projekt der Clownschule für Kinder. In dieser Woche waren Schülerinnen und Schüler der Nahariya-Schule aus Lichtenrade zu einem Kindercamp in der ufa-Fabrik. „Es ist immer wieder erstaunlich, was die Kinder leisten können,“ erzählt Claus Richter. Er freut sich schon auf den letzten Tag, an dem die Kinder ihre Künste in der Schule öffentlich präsentieren. Charlie Claus Richter wird dabei sein und zum Abschluss den Charlie Chaplin zum Besten geben.

Wie fing alles an

Die Besetzer der ufa-Fabrik wollten etwas Künstlerisches auf die Beine stellen und gründeten den ufa-Circus. Claus Richter spielte im Circus-Orchester das Saxofon, bis eine Lungenentzündung seiner musikalischen Laufbahn erst einmal ein Ende setzte. Er arbeitete als Circusarbeiter mit „Blaumann“, Turnschuhen und Kappe. Beim Auf- und Abbau galt es immer etwas Komisches herauszuholen: „Keinen Gag, keinen Lacher verschenken war die Devise!“ Damals schlüpfte Claus Richter schon in einige komische Rollen und jonglierte dabei. Als er dann seine Lungenentzündung auskuriert hatte, wurde er zum Clown mit dem Saxofon. Dabei klebte er sich schon ein kleines Oberlippenbärtchen an, wie das von Onkel Willi aus dem Saarland.

Vom Musiker zu Charlie Chaplin

1981 wurde in der ufa-Fabrik das alte ufa-Kino wieder als neuer Ort der Kultur eröffnet. Leinwandstars der UFA sollten zu den Feierlichkeiten imitiert werden und so alte Zeiten wieder lebendig werden. Die Wahl fiel schnell auf „Charlie“. Er sollte, nach Meinung der Freunde, dabei sein und den Stummfilmstar Charlie Chaplin imitieren. Nur drei Tage Vorbereitungszeit, beim Trödler zu große Schuhe, Stock und Hut kaufen. Die Angst saß Claus Richter dann doch in den Knochen. Denn der richtige Charlie Chaplin war ein Perfektionist und das Vorbild vieler Clowns und Komödianten.

Jedenfalls war das ufa-Kino ausverkauft, Charlie kam kräftig ins Schwitzen und dann ging es auf die Bühne. Die Angst vor den Auftritten gehörte lange Zeit dazu.

Nach der Premiere wurde die Videoaufzeichnung genau studiert. Claus konnte kaum hinschauen und entdeckte viele Unzulänglichkeiten: „Die Perfektion geißelt mich, quält mich. Die ewige Unzufriedenheit beginnt: meine Mimik wechselt zu oft, zu verkrampft, das charmante Lächeln, das Charlie auszeichnet, sitzt noch nicht.“ Charlie ist unzufrieden mit der Größe des Schnurrbarts und vielen Kleinigkeiten, die Charlie so groß gemacht haben. Es waren tausende Stunden, die für das Üben notwendig waren. Neben dem komischen Watschelgang, der auch von viel Rhythmus im Blut zeugte, sollten so ganz nebenbei akrobatische Kunststückchen scheinbar beiläufig eingebaut werden. Es galt viele Filme anzuschauen und die wesentlichen und typischen Bewegungen zu üben, üben und nochmals zu üben.

Charlie Chaplin aus Berlin hat eigene Ideen!

Claus schreibt in einem Bericht von der Komplexität des Bewegungsablaufs: „Beispielsweise die Drehung in die andere Richtung, tausendmal wiederholt, den rechten Fuß hoch, hinter´s andere Bein, von der Wade in einem Schwung runter zur rechten Ferse, und auf dem Fußballen gleichzeitig die Drehung nach links vollziehen; der Rest des Körpers folgt einer fließenden Bewegung.“ Charlie sollte durch die Geschichte spazieren und förmlich schweben.

Obwohl diese Grundhaltung sehr anstrengend ist, sollte es sehr leicht und zufällig aussehen. Für den Künstler Claus „Charlie“ war immer der Erfolg, der Beifall und das Lachen des Publikums wichtig: „Ich hätte sonst längst aufgegeben.“ Geholfen hat Claus Richter die Einstellung, dass er in der Rolle des Tramps der eigenen Phantasie und Persönlichkeit Gestalt geben kann. So versuchte er gar nicht bestimmte Nummern von Chaplin zu kopieren, sondern mit eigenen Ideen seine staunenden Zuschauer zu fesseln. Es ist wunderbar anzusehen, wenn Charlie Richter den hilflosen, genervten oder verlegenen Tramp spielt. Das verlegene Schulterzucken, der Griff an den Hosenboden oder das lüpfen des Hutes: als Zuschauer fühlt man sich in die „gute alte“ Stummfilmzeit gebeamt.

Für Claus „Charlie“ Richter ist das Lachen der Kinder immer besonders wichtig. Er weiß, dass er den dabei Kleinen nicht so nah auf die Pelle rücken darf: „Sie lieben die Tollpatschigkeit, den Sinn für Gerechtigkeit und die respektlose Haltung.“ Für Claus ist Charlie Chaplin, der Tramp und Vagabund, faszinierend. Unvergessen ist sein Werk: „Ohne Sprache, global; das Lachen der Verständigung!“

Die Verwandlung ist wichtig

Für Claus ist die Verwandlung zum Charlie ein sehr wichtiger Akt. Stimmt alles bei der Maske? Puder, die Brauen und besonders der Bart müssen stimmen. Komisch muss es sein, die Kontraste für den Schwarz/Weiß-Star sind wichtig, um die Gesichtszüge zu betonen. Für Claus Richter ist Charlie nach wie vor eine unvergessliche Erscheinung: „Unkompliziert und einprägsam von Kopf bis Fuß.“

Ein Highlight war für Claus Richter 1989 die Friedens (Mir)-Karawane, die auch auf dem Roten Platz in Moskau halt gemacht hat. Auch ein sogenanntes „Stummsical“ mit den Akkordeon-Ensemble Harmonie hat ihm viel Freude gemacht. Mit Freunden hat er einen nicht öffentlichen Film gedreht, der den Charlie der Neuzeit abbildet. Das sind genau die Projekte, die Charlie Richter richtig Freude bereiten. Nach seinen Träumen für die Zukunft gefragt, erzählt Charlie von einem eigenen Programm, das ihm vorschwebt. Pantomime, Kabarett, eigene Gedichte: all diese Fassetten könnten Bestandteil des Programms sein. Wir hoffen, dass wir Bestandteil und Zuschauer seiner Träume werden dürfen.

Wir sagen nichts, es ist ja Stummfilmzeit, und freuen uns über jeden Auftritt von Charlie aus Tempelhof.

Thomas Moser


ALLE Fotos: Thomas Moser BerLi-Press


 

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