...oder „Möge die Straße uns zusammenführen“

Berlin-Lichtenrade, 21. Oktober 2011 Die umtriebige „Ökumenische Umweltgruppe Lichtenrade“ hat in das Lichtenrader evangelische Gemeindezentrum in der Goltzstraße eingeladen, um verschiedene Denkanstöße weiterzugeben und über die Zukunft der Bahnhofstraße mit interessierten Einwohnern zu diskutieren. Eine 30-köpfige Studentengruppe der TU-Berlin, Fachbereich Straßenbau und –betrieb, hat den Verkehr in der Lichtenrader Bahnhofstraße untersucht und einen 360seitigen Bericht abgeliefert. Diesen Bericht und auch Erkenntnisse von eigenen Städtereisen wurden im Gemeindezentrum in einigen Kurzreferaten anschaulich dargestellt. Die Veranstaltung wurde in Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative „Rettet die Marienfelder Feldmark“ und dem „BUND-Berlin“ organisiert.

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...Aus der Präsentation der Umweltgruppe (M.Raß)

In der Bahnhofstraße geht die TU-Studiengruppe von einem täglichen „motorbetriebenen“ Verkehrsaufkommen von 8.000 Bewegungen und von circa 1.000 Radfahrern aus. Die Schwerpunkte des Berichtes waren Überlegungen zur Verbesserung des Fuß- und Radverkehrs. Als wichtigste Punkte wurden herausgearbeitet:

  • Sichere Überquerung der Straße zum Beispiel durch Schaffung von Mittelinseln
  • Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs
  • Gefährliche Situationen beim Ausparken im Querverkehr

Die Studie empfiehlt, dass die bisherigen Ampeln (korrekt im Amtsdeutsch: Lichtzeichenanlagen) und die grundsätzliche Vorfahrtsreglung in der Bahnhofstraße erhalten bleiben. Die Goltzstraße sollte in ein neues Bahnhofstraßen-Konzept mit einbezogen werden. Überlegungen könnten sein, hier die Vorfahrtssituation zu ändern und die Goltzstraße mehr für den Durchgangsverkehr, der nicht direkt in die Einkaufsstraße möchte, zu nutzen.

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Verkehrssituation Goltz-/Ecke Bahnhofstraße
Diese Überlegungen wären jedoch spätestens dann hinfällig, wenn die Dresdner Bahn ebenerdig zum BER-Flughafen nach Schönefeld ausgebaut werden sollte. Dann würde, nach den bisherigen Plänen, der Bahnübergang Wolziger Zeile geschlossen werden. Die Studie wurde unter der Prämisse erstellt, dass die Dresdner Bahn, wie es die Forderung vieler Lichtenrader ist, in einen Tunnel kommt. Anderenfalls kann noch von einer weitaus angespannteren Situation ausgegangen werden.

Mittelinseln in der Bahnhofstraße sollten an einigen Stellen entstehen, wo heute das Queren der Fahrbahn für Fußgänger schwierig ist. Die Fußgänger, die sicherlich auch nicht immer die vorbildlichsten Verkehrsteilnehmer sind, müssen zurzeit glücklich sein, wenn sie ungeschoren die andere Straßenseite erreichen. Fünf Stellen in der Bahnhofstraße wurden als besonders problematisch erkannt. Dazu gehört die Abbiege- beziehungsweise Geradeaus-Fahrsituation an der Bahnhof-/Ecke Goltzstraße, weil hier die abknickende Vorfahrt nicht dem „natürlichen“ Straßenverlauf entspricht. Hier könnten eigene Abbiegespuren helfen.
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Der Unfallschwerpunkt POST
Ein weiterer Unfallschwerpunkt ist an der Post, wo ein Zebrastreifen und/oder eine Mittelinsel anzudenken wäre. Ähnlich ist auch die Situation an der Zescherstraße, wo die Querung der Fahrbahn (quasi von ALDI zu Woolworth) zu einem „Kamikaze-Einsatz“ wird. An der Stein- und Briesingstraße werden deutliche Fahrbahnmarkierungen empfohlen und als Alternative sogar ein kleiner Kreisverkehr in Erwägung gezogen. Als Unfallschwerpunkte wird das Rückwärtsfahren beim Ausparken und das Wenden auf der Bahnhofstraße erkannt. Die Lichtenrader wissen aus eigener leidvoller Erfahrung, wovon die Studenten sprechen. Zu einer Entspannung der Situation ist auch die Frage näher zu beleuchten, ob parkende Autos künftig (wieder) „horizontal“ parken sollen (also direkt in Fahrrichtung). Die Aufgabe der bisherigen Parkbuchten würde dem fließenden Verkehr und auch den Fußgängern, bei einer Verbreiterung der Gehwege, zugutekommen. Eine Zwischenruferin wies berechtigterweise darauf hin, dass damit auch weniger Parkplätze zur Verfügung stehen. Andererseits werden die Reichelt- und Woolworth-Parkplätze bislang nur eingeschränkt angenommen. Der relativ neue Netto-Parkplatz ist durchaus ein Anziehungspunkt, soll aber bei einer Inanspruchnahme durch Nichtkäufer kontrolliert werden.

An den beiden Enden der Bahnhofstraße sollte ein sichtbares „Eingangstor“ durch bauliche Veränderungen erreicht werden. Die Studie sieht nicht nur auf den Fahrrad- und Fußgängerverkehr, sondern will auch Maßnahmen zur besseren Steuerung des fließenden Verkehrs erreichen.

Auch wurde über andere Ideen für die Bahnhofstraße nachgedacht. An dieser Stelle sei betont, dass sich die Umweltgruppe für die Abendveranstaltung vorbildlich vorbereitet und in kurzen „knackigen“ Referaten die Situation und die Ideen anschaulich beleuchtet hat. Die anschließende Diskussion wurde in einer Co-Moderation gekonnt geleitet. Als besonders witzige Idee wurden in der kurzen Pause unter dem Motto „Wir haben sie zum Fressen gern“ selbst gebackene Autos zum Verzehr verteilt.

Weiterhin wurde das „New Road“-System von Brighton erläutert, wo die „Straße für Alle“ durch diverse Umgestaltungsmethoden zur Verbesserung der Situation führte. Das niederländische Städtchen Drachten, mit Lichtenrade von der Größe durchaus vergleichbar, konnte mit dem „geteilten Raum“ (oder auch „Shared Space“ genannt) eine Qualitätsverbesserung erreichen. Dazu gehört, dass es keine Bordsteine mehr gibt und alle mehr Rücksicht aufeinander nehmen. Teilnehmer der Umweltgruppe konnten sich persönlich von der ganz neuen Art im Straßenverkehr überzeugen. Aber auch Bad Salzuflen hat vor einiger Zeit einen neuen Weg zur Verkehrsberuhigung beschritten.

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Die Bürgerinitiative „Rettet die Marienfelder Feldmark“ stellte die „Begegnungszone“ vor, die in den 80iger Jahren in den Niederlanden und in der Schweiz eingeführt wurde. Im Rahmen des Schweizer Energiesparprogramms Energie 2000 und der Umsetzung der Lokalen Agenda 21 wurde Burgdorf 1995 als Fußgänger- und Velomodellstadt der Deutschschweiz auserkoren. Im Großen geht es um eine nachhaltige Koexistenz in der „Begegnungszone“, die barrierefrei das Zusammenleben erreichen soll. Dabei ist für Fahrzeuge eine maximale Geschwindigkeit von 20 km/h vorgesehen. Die BI fordert: „Begegnungszone Bahnhofstraße!“ Weiteres siehe auch auf der Website der BI (Link siehe unten).

In der Diskussion wurde deutlich, dass Mittelinseln auch durchaus skeptisch gesehen werden und teilweise als „Notlösung“ bezeichnet wurden. Als Beispiel kann man sich umgefahrene Verkehrsschilder auf den Mittelinseln in der Motzener Straße in Marienfelde ansehen. Auch war in der Diskussion deutlich, dass eine Umgestaltung der Bahnhofstraße nur schrittweise passieren kann; dies stand sicherlich auch unter dem Aspekt, dass die Umbaumaßnahmen auch Kosten verursachen würden und andererseits sich die Verkehrsteilnehmer erst an veränderte Situationen gewöhnen müssen. Der Wirtschaftsverkehr wurde in die Diskussion eingebracht und allgemein die Undiszipliniertheit aller Verkehrsteilnehmer bemängelt.

Die Umweltgruppe fordert die Bezirkspolitiker auf, eine „Perspektiv-Werkstatt“ zur Zukunft der Bahnhofstraße einzurichten. Keiner hat bislang Idealrezepte. Einige Politiker aus der BVV-Fraktion „Die Grünen/Bündnis 90“ gaben sich an diesem Abend zu erkennen und diskutierten mit. Alle Anwesenden schienen sich jedoch darüber einig zu sein, dass die Qualität der Bahnhofstraße verbessert werden sollte. Eine Idee hat man von der Umweltgruppe, damit die Öffentlichkeit mehr sensibilisiert wird: bei einem Straßenfest mit Tanz, Kunst und Frühstückstischen soll die Bahnhofstraße für die Bevölkerung „erobert“ werden.

Auch wird sicherlich spannend zu beobachten sein, wie die neue BVV in Tempelhof-Schöneberg zum geplanten Mälzerei-Einkaufszentrum sich positioniert und wie diese Planungen in ein gesamtes Bahnhofstraßen-Konzept einbezogen werden. Wir werden sehen, inwiefern der bisherige Investor Dr. Huth bereit ist die geforderte Perspektivwerkstatt zu unterstützen.

Als Information wurde noch weitergegeben, dass sich im November die Denkmalsbehörde das alte „Haus Buhr“ ansehen wird. Die Umweltgruppe kämpft für eine Erhaltung des Gebäudes.

Wie es sich für eine christliche Initiative gehört, stimmte am Schluss Pfarrer i.R. Reinhart Kraft, ein engagiertes Umweltgruppenmitglied, das Lied „Möge die Straße uns zusammenführen“ an. Mit dieser Hoffnung will die Initiativgruppe die Entwicklung der Bahnhofstraße weiter diskutieren.

Thomas Moser (auch Fotos)– BerLi-Press (www.berli-press.de) für www.lichtenrade-berlin.de


 

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