Taksim Forever

#Rüyalar parki

Für eine kurze Zeit wurde der Gezi-Park in Istanbul zum „Park der Träume.“

Im aktuellen Musiktheater von Can Erdogan-Sus (Komposition) und Kerem Can präsentiert die Neuköllner Oper Einblicke in die Proteste, die im Jahr 2013 im Zuge eines geplanten Bauprojektes im Gezi-Park für große Unruhen sorgten.

Am Anfang ging es um drei Bäume. Dann ging es jedoch um viel mehr.

In der erzählten Geschichte verliebt sich der deutsche Klangkünstler Ben, gespielt von Johannes Hubert, in die Stimme aus dem Radio. Diese Stimme gehört der Aktivistin der Protestbewegung Leyla, die von Pınar Erincin dargestellt wird.

Ben reist nach Istanbul und gerät in Polizeieinsätze rund um den Taksim-Platz, der schon 1977 als Ort für ein Massaker mit 34 Toten traurige Berühmtheit erlang. Bei den aktuellen Unruhen verliebt sich Ben richtig in die junge Frau. Die Staatsmacht räumt den Platz mit Gas und Wasserwerfern und übertüncht alles mit Farbe.

Die Eltern der jungen Leuten zeigen den Blick in die Vergangenheit. Der Taksim-Radio-Reporter Deniz, dargestellt von Murat Dikenci, präsentiert sich als lebendiges und verbindendes Element, gelegentlich auch als Beatboxer.

Foto Neuköllner Oper / Matthias Heyde

Die Darstellerin von Leyla war selbst zeitweise in der Gezi-Bewegung aktiv und sagt: „Ich glaube, es hat mich stärker gemacht.“ Das spürt man auch!

Die Bühne stellt sich anfangs zweigeteilt, einfach aber eindrucksvoll dar. Der trennende Vorhang dient zu Beginn dazu, dass türkische Liedtexte ins Deutsche übersetzt angezeigt wurden. Dies war so lange effektiv, bis sich die Rauchschwaden vor dem Vorhang versammelten. Vorhänge waren dann auch für die kraftvollen Videos die Grundlage. Zusammen mit dem starken Sound war Vincent Stefan für diesen Bereich verantwortlich und überzeugte mit seiner Arbeit.

Es ist in der Neuköllner Oper immer wieder schön zu sehen, wie abwechslungsreich und frisch die Bühnenbilder sich in den verschiedenen Stücken präsentieren. Auch dieses Bühnenbild/Ausstattung von Yvonne Kalles überzeugte voll und ganz.

Die Musik von Can Erdogan-Sus ist gefühlvoll und traurig und gelegentlich kämpferisch, halt abwechslungsreich. Auf jeden Fall war die ansprechende Musik viel weniger „typisch“ Türkisch, wie man bei diesem Thema erwarten konnte. Das tat dem Gesamtkunstwerk des Musiktheaters aber keinesfalls einen Abbruch.

Foto Neuköllner Oper / Matthias Heyde
Mit Töpfegeklapper und dem Schlachtruf „vay, vay“ wird temperamentvoll und entschlossen gesungen: „Meine Gasmaske ist rot. Das Tränengas schmeckt nach Honig. Mein Wasserwerfer bespritzt mich. Wir werden das lösen, das Volk ist auf der Straße auf dem Weg nach Taksim, auf die Barrikaden.“

Besonders das exzellente Orchester, unter der musikalischen Leitung von Bijan Azadian oder alternativ Dominik Walenchiak, ist der Garant für ein zeitkritisches und künstlerisch beachtliches Musiktheater. Die guten schauspielerischen Leistungen rundeten den Abend ab. Das Premierenpublikum war begeistert.

Ein deutsch-türkisches verbindendes Gesamtkunstwerk!

„Taksim forever“ wird zeitlos sein, da Taksim immer wieder auch an anderen Orten zeitweise für Träume sorgen kann. Taksim im überall.

Thomas Moser

Musiktheater von Can Erdogan-Sus (Komposition) und Kerem Can (Text)

Regie: Nicole Oder

Musikalische Leitung: Bijan Azadian/Dominik Walenciak

Ausstattung: Yvonne Kalles · Dramaturgie: Bernhard Glocksin
Video/Sounddesign: Vincent Stefan


 

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