Als die Welt die Juden verriet
Saisoneröffnung mit Hochhuths „Der Stellvertreter“
Das Schlosspark Theater eröffnet seine 10. Spielzeit unter der Intendanz von Dieter Hallervorden mit einer neuen Fassung von Rolf Hochhuths Drama „Der Stellvertreter“. In der Regie von Philip Tiedemann und Ausstattung von Stephan von Wedel spielen Tilmar Kuhn, Krista Birkner, Mario Ramos, Oliver Nitsche, Martin Seifert, Joachim Bliese, Winfried Peter Goos sowie – als Papst Pius XII. – Georg Preusse.
Premiere ist am 8. September 2018.
Rolf Hochhuths legendäres Theaterstück über Papst Pius XII. und seine umstrittene Rolle während des Dritten Reiches, uraufgeführt von Erwin Piscator 1963 in Berlin im Theater am Kurfürstendamm (dem damaligen Haus der Freien Volksbühne) – jetzt völlig neu inszeniert für das Schlosspark Theater! Regisseur Philip Tiedemann, der das Stück bereits 2001 am Berliner Ensemble inszenierte, verfasste speziell für das Schlosspark Theater eine neue, schlankere Fassung: Die 45 Personen des umfangreichen Doku-Dramas in 5 Akten von Hochhuth werden nun in einer Kammerspiel-Fassung in 8 Szenen mit sieben Schauspielern und einer Schauspielerin konzentriert und verdichtet – im Gedenken an die unzähligen Berliner Juden, die deportiert und ermordet wurden, zur Erinnerung und zur Mahnung!
Intendant Dieter Hallervorden bezieht damit erneut politische Stellung: „Zu Zeiten, in denen AfDPolitiker unverblümt ihre dunkelbraunen Reden schwingen, ist es für ein heutiges Theater geradezu eine Selbstverständlichkeit, zu zeigen, wohin solche Hetztiraden, solch eine rechtsradikale ‚Alternative‘ schon mal geführt haben. Um beim ‚Stellvertreter‘ zu bleiben: ‚GOTT sei Dank! Das musste mal raus!‘“
Auch der Autor Rolf Hochhuth freut sich auf die Neuinszenierung: „Dieter Hallervorden lässt meinen, 1963 durch Erwin Piscator im Theater am Kurfürstendamm uraufgeführten, ‚Stellvertreter‘ an seinem Haus neu inszenieren! Das Schlosspark Theater beeindruckt mich, und ich freue mich auf die neue Inszenierung meines Stücks durch Philip Tiedemann.“ Philip Tiedemann zu seiner Motivation, dieses Stück erneut auf die Bühne zu bringen: „60 Jahre nachdem Hochhuth den ‚Stellvertreter‘ schrieb, stellen wir fest, dass die Hoffnung, es möge inmitten dieser Welt voll von Krieg, Ungerechtigkeit, Verfolgung und Unterdrückung doch wenigstens eine Stimme, eine Instanz geben, die moralisch integer, die erhaben sei, da stellen wir fest, dass diese Sehnsucht nach wie vor unerfüllt bleibt. Wenn der Stellvertreter Christi auf Erden, der Papst, dies nicht war und nicht sein kann – wer ist es dann, wer war es je, und: wer (um Gottes Willen!) wird es zukünftig sein?“
Erstmals am Schlosspark Theater zu sehen ist Georg Preusse, seit 50 Jahren auf allen nationalen und internationalen Bühnen unterwegs, berühmt geworden als „Mary“ – hier nun in der Rolle des umstrittenen Papstes Pius XII. Er mahnt: „Machen wir den Mund auf gegen Unmenschlichkeit und Fanatismus, solange wir es noch gefahrlos können.“

„Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth, Neu-Fassung von Philip Tiedemann
Premiere: Samstag, 8. September 2018, 20 Uhr
Weitere Vorstellungstermine im September 2018 bis Januar 2019.

Der Stellvertreter von Rolf Hochhuth / Fassung für das Schlosspark Theater von Philip Tiedemann
Regie: Philip Tiedemann / Bühne & Kostüm: Stephan von Wedel / Musik: Henrik Kairies
Mit Georg Preusse als Papst Pius XII. sowie Krista Birkner, Joachim Bliese, Winfried Peter Goos, Tilmar Kuhn, Oliver Nitsche, Mario Ramos & Martin Seifert
Rolf Hochhuths legendäres Theaterstück über Papst Pius XII. und seine umstrittene Rolle während des Dritten Reiches, uraufgeführt von Erwin Piscator 1963 in Berlin im Theater am Kurfürstendamm (dem damaligen Haus der Freien Volksbühne) – jetzt völlig neu inszeniert für das Schlosspark Theater!
Die 45 Personen des umfangreichen Doku-Dramas in 5 Akten von Hochhuth werden in einer Kammerspiel-Fassung von Philip Tiedemann für das Schlosspark Theater in 8 Szenen mit sieben Schauspielern und einer Schauspielerin konzentriert und verdichtet.
Zum Inhalt:
Der junge Pater Riccardo besucht Berlin und stößt auf die heftigen Auswirkungen des Paktes zwischen Hitler und dem Heiligen Stuhl (das „Konkordat“), erfährt von Verhaftungen, Deportationen und dem Holocaust.
Seine Empörung und Verzweiflung führen ihn – an der Seite des SS-Sturmbannführers Gerstein, der sich als Doppelagent versteht – zurück nach Italien und schließlich zum Papst selbst. Pius versucht nun seine Position als Stellvertreter Christi auf Erden und Oberhaupt der katholischen Weltkirche zu behaupten – dagegen wendet sich der junge Pater nach Auschwitz, um das Schicksal der Juden zu teilen – und so Christus zu vertreten (wie es tatsächlich der Berliner Domprobst Bernhard Lichtenberg forderte).
Zum Stück (von Philip Tiedemann)
1958 verbringt Rolf Hochhuth (27 Jahre alt) ein Vierteljahr in Rom und schreibt dort ein Stück: „Der Stellvertreter“ – angeregt durch einen Brief aus dem Jahr 1943, verfasst vom deutschen Botschafter im Vatikan, Ernst von Weizsäcker (Vater des Bundespräsidenten), der schrieb: „Der Papst hat sich, obwohl dem Vernehmen nach von verschiedenen Seiten bestürmt, zu keiner demonstrativen Äußerung gegen den Abtransport der Juden aus Rom hinreißen lassen...“.
Ausgangspunkt des Stückes – zunächst war eine Erzählung gedacht – ist die historische Figur Kurt Gersteins: ein aktiver evangelischer Ingenieur, der nach „christlicher Betätigung gegen den Nazistaat“ ins KZ kam, aber später als kompetenter „Hygienebeauftragter“ in die SS übernommen wurde. Gerstein verfasste etliche Berichte über die Zustände in den Konzentrationslagern und sein Besuch in der Nuntiatur in Berlin hat tatsächlich stattgefunden.
„Ich arbeite nach dem Gesetz, das Thomas Mann formuliert hat: Man soll sich nichts ausdenken, sondern aus den Dingen etwas machen...“. (Hochhuth)
Das Stück liegt zwei Jahre unbesehen in den Theater-Dramaturgien herum – bis Erwin Piscator, der gerade nach Deutschland wiederkehrte und die Intendanz der Freien Volksbühne erlangte, es von Rowohlt zugesandt bekommt und eine Stunde später telegraphiert: „Ich spiele dieses Stück“!
Am 20. März 1963 erfolgt die Uraufführung im Theater am Kurfürstendamm – das 55 Jahre später zum Abbruch freigegeben ist – durch Piscator mit Dieter Borsche als Papst. Die Regierung der Bundesrepublik wird vom Heiligen Stuhl aufgefordert, gegen Hochhuths Drama vorzugehen. Eine Anfrage im Bundestag folgt... Herbert Marcuse schreibt: „Der wirkliche Geist unserer Zeit zeigt sich in Becketts Romanen; ihre wirkliche Geschichte wird in ‚Der Stellvertreter‘ geschrieben.“ Hilde Domin: „Das umstrittene Schauspiel des Jahrhunderts“. Hannah Arendt: „Als man ihm (Papst Johannes XXIII.) Hochhuths ‚Stellvertreter‘ mit der Frage gab: ‚Was kann man dagegen tun?’, sagte der Papst: ‚Nichts – gegen die Wahrheit kann man nichts tun!’“
Bis heute wurde der „Stellvertreter“ in über 100 Städten gespielt (zuletzt in Münster), in 28 Sprachen übersetzt – in der DDR hatte Hochhuth verfügt, sein Stück dürfe nicht gespielt werden, solange Wolfgang Harich im Zuchthaus sitzt – mit der Haftentlassung gab er es frei.
Allein Peter Brooks Inszenierung des „Stellvertreters“ wurde am Théatre Athenée in Paris (1964/65) 364 Mal gespielt.
Am 12. September 2001 – einen Tag nach 9/11 – hat die Inszenierung Philip Tiedemanns am Berliner Ensemble Premiere und erlebt dort über 50 Vorstellungen mit 12 Publikumsgesprächen.
Heute, 2018, spielt das Schlosspark Theater dieses Stück in einer Neuinszenierung – im Gedenken an die unzähligen Berliner Juden, die deportiert und ermordet wurden, zur Erinnerung und zur Mahnung!
60 Jahre Stellvertreter – Stellungnahmen zur Neuinszenierung
Dieter Hallervorden lässt meinen, 1963 durch Erwin Piscator im Theater am Kurfürstendamm uraufgeführten, „Stellvertreter“ an seinem Haus neu inszenieren!
Allein um der Familie Wertheim willen, von der 27 Angehörige im Dritten Reich ermordet wurden, ist dies ein Akt der Verpflichtung... Das Schlosspark Theater beeindruckt mich, und ich freue mich auf die neue Inszenierung meines Stücks durch Philip Tiedemann.
Rolf Hochhuth, Autor
60 Jahre nachdem Hochhuth den „Stellvertreter“ schrieb, stellen wir fest, dass die Hoffnung, es möge inmitten dieser Welt voll von Krieg, Ungerechtigkeit, Verfolgung und Unterdrückung doch wenigstens eine Stimme, eine Instanz geben, die moralisch integer, die erhaben sei, da stellen wir fest, dass diese Sehnsucht nach wie vor unerfüllt bleibt. Wenn der Stellvertreter Christi auf Erden, der Papst, dies nicht war und nicht sein kann – wer ist es dann, wer war es je, und: wer (um Gottes Willen!) wird es zukünftig sein?
Philip Tiedemann, Regisseur & Verfasser der Neufassung
Meine Wurzeln liegen in der politischen Satire. Ich beziehe gern Stellung, gebe meine Meinung kund, zeige Fahne! Zu Zeiten, in denen AfD-Politiker unverblümt ihre dunkelbraunen Reden schwingen, ist es für ein heutiges Theater geradezu eine Selbstverständlichkeit, zu zeigen, wohin solche Hetztiraden, solch eine rechtsradikale „Alternative“ schon mal geführt haben. Um beim „Stellvertreter“ zu bleiben: „GOTT sei Dank! Das musste mal raus!“
Dieter Hallervorden, Intendant Schlosspark Theater


 

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