Im hinteren Teil der ehemaligen AWO-Senioreneinrichtung Franz-Neumann-Haus, in der Lichtenrader Augsburger Straße, wurde eine Mutter-Kind-Einrichtung eröffnet. Im sogenannten „Waldhaus“ hat nach einjähriger Umbauzeit im Juli 2014 das Mutter-Kind-Haus „Christinenhof-Waldhaus“ seinen Betrieb aufgenommen.

Die Einrichtung wird unter privater Trägerschaft von Ines Bardeck betrieben und richtet sich an junge Mütter mit ihren Kindern, die aus den verschiedensten Gründen keine eigene Wohnung haben oder sie verloren haben. Da kommen durchaus Frauen aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Schichten. Ines Bardeck: „Hinter nahezu jeder Frau verbirgt sich eine tragische Geschichte.“ Sie kann von Mietschulden, Wohnungsverlust, Schuldgefühlen, kranken oder toten Kindern und von Vergewaltigungen berichten, die die Frauen ertragen mussten.

Auch werden in der Einrichtung junge ausländische Mütter betreut, deren Kinder in den Herkunftsländern aus medizinischen Gründen oft keine Überlebenschance hätten. Da werden die Gesundheitskosten der Kinder in der Regel von Stiftungen und Vereinen übernommen.

Möglichst schnell in eine eigene Wohnung

Das oberste Ziel ist bei allen jungen Frauen die möglichst schnelle Unterbringung in eigenen Wohnungen und die Erlangung einer Arbeitsstelle oder Ausbildung.


Ines Bardeck und Hausmutter Marielene Schafstall

Die Hausmutter Marielene Schafstall, die in allen Fragen angesprochen werden kann, hat selbst brasilianische Wurzeln. Sie hat immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Anliegen der Anwohnerinnen. Die Hausmutter beherrscht fünf Sprachen, wobei auch sie immer wieder an Grenzen stößt: „Dann müssen wir uns mit Händen und Füßen verständigen.“ Ein Muss für alle Beschäftigten ist das beherrschen von Englisch, da die meisten jungen Frauen sich zumindest mit einigen Brocken Englisch verständigen können.

Erlernen von alltäglichen Dingen und eine hohe Erfolgsquote

Das Wichtigste bei der Unterbringung ist oft, dass erst ganz alltägliche Dinge und die Einhaltung von Regeln und Sauberkeit erlernt werden müssen. Auch einfachste Tischregeln, der richtige Umgang mit dem Trennen von Müll und auch die sparsame Verwendung der Heizung müssen einigen Müttern erst vermittelt werden.

Durch Spielangebote erlernen die Mütter, wie sie sich verlässlich selbst um ihre Kinder gut kümmern können. Für die Mütter kann die Praxis durch Vorleben viel leichter erlernt werden. Oft sind große Erfolge zu verzeichnen. Die Erfolgsquote, das Leben in einer eigenen Wohnung bzw. eine Arbeit oder Ausbildung, liegt laut Auskunft der Betreiberin bei 80 Prozent.

Wichtig ist immer wieder das Erlernen von deutschen Sprachkompetenzen, damit sie überhaupt später eine wirkliche Chance zum eigenständigen Leben haben. Von vielen, besonders auch dunkelhäutigen Müttern, kann sie berichten, wie engagiert sie sich um viele Dinge kümmern.

Außenansicht im Herbst
Das Angebot in der vollstationären Einrichtung ist im Regelfall auf 3 bis 6 Monate angelegt. Wegen der angespannten Wohnungsmarktsituation muss der Aufenthalt öfters verlängert werden. Hinzu kommen Probleme bei negativen Schufa-Auskünften und auch die Hautfarbe spielt bei der Wohnungsvermittlung eine große Rolle. Schwarzafrikanische Mütter haben bei der Unterbringung in Lichtenrader Kitas große Probleme und wurden abgewiesen. Die Einrichtungsleiterin Ines Bardeck erzählt fassungslos, dass in den gleichen Kitas quasi zeitgleich ohne Probleme hellhäutige Kinder einen Platz bekamen.

Zwei Wohngruppen in einem Haus

Es werden 13 Plätze für Mütter mit einem Kind und 10 Plätze für Mütter mit zwei Kindern in zwei Wohngruppen angeboten. Die Frauen leben mit ihren zumeist sehr kleinen Kindern im Alter von 0 bis 12 Jahren (Mädchen auch bis zum Alter von 18 Jahren) im Gruppenverbund zusammen. Es gibt eine 24stündige Betreuung durch sozial erfahrene Mitarbeiterinnen. Die tatsächliche Betreuung richtet sich nach dem individuellen Bedarf.

Beim Rundgang durch die Einrichtung spürt man die Gelassenheit und Ruhe der Betreuerinnen im Umgang mit den Bewohnerinnen.

Jede Familie hat ein einfach aber freundlich eingerichtetes Zimmer und sie teilen sich ein Bad mit einer anderen kleinen Familie.

Es gibt auf beiden Etagen jeweils eine kleine Küche und einen Waschraum mit Waschmaschinen.

In nächster Zeit wird noch der Eingangsbereich erweitert und für einen Gemeinschaftsraum und einen Aufenthaltsraum für Beschäftigte wird das Haus noch aufgestockt.

Kein Grund zur Sorge

Die unmittelbare Nachbarschaft wird jetzt auch mit Flyern von der Arbeit der Mutter-Kind-Einrichtung informiert. Viele Nachbarn gehen offen auf die neue Einrichtung zu. Es gibt aber auch, wie Ines Bardeck erzählt, unerfreuliche Begegnungen. Da treten besonders ausländerfeindliche Haltungen zutage. Da sorgt der dunkelhäutige engagierte Vater für Irritationen, der das Kind abholt und zu einer Kita fährt. Auch sind Anwohner über Männer auf dem Grundstück irritiert. Neben vereinzelten Besuchs-Vätern arbeitet in der Einrichtung ein Hausmeister und in der Bauphase müssen sich die verschiedensten Handwerker auf dem Grundstück aufhalten. Und das sind meistens Männer. Ines Bardeck betont, dass es mit den Anwohnerinnen und Besuchern noch nie zum Ärger mit Nachbarn kam. Das bestätigt auch die Polizei. Ines Bardeck spricht aus jahrelangen positiven Erfahrungen mit einer zweiten Einrichtung. Für die Einrichtungsleiterin ist klar: „Wenn sich Frauen dann doch nicht an Regeln halten, müssen sie die Einrichtung verlassen.“ Aufgenommen werden auch keine psychisch- oder suchtkranke Frauen und auch keine Frauen, die vor häuslicher Gewalt geschützt werden müssen. Dafür ist die Einrichtung nicht ausgelegt.

Eine Frau vom Bau ist Chefin: Die Welt etwas besser machen!

Die Lichtenraderin Ines Bardeck hat ihr Hauptstandbein in der Bauwirtschaft. So ist sie eher zufällig zur ersten Einrichtung gekommen, weil sie ein Gebäudeensemble erworben hatte. Mittlerweile absolvierte sie die verschiedensten Fortbildungen im sozialen Bereich und ist mindestens zweimal in der Woche persönlich in der Einrichtung. Die Frage drängt sich auf, warum betreibt eine Frau vom Baugewerbe so eine Einrichtung? Für Ines Bardeck ist klar: „Ich habe sehr schnell gemerkt, dass der Bedarf sehr hoch ist und die Frauen in dieser Situation einen Halt suchen, der ihnen oft nicht angeboten werden kann. Die Plätze in meiner anderen Einrichtung haben nie ausgereicht und ich musste zu häufig Frauen wegen Platzmangels abweisen. Das ist unglaublich schwer, weil viele Schicksale sehr traurig sind und diese Frauen wirklich Hilfe brauchen.“ Schmunzelnd fügt sie hinzu: „Eigentlich möchte ich die Welt nur ein bisschen besser machen.“

Mutter-Kind und kein weiteres Heim

Der größere vordere Teil der ehemaligen Senioreneinrichtung steht seit Jahren leer. Ein privater Investor versucht das Grundstück zu verkaufen. Vermutlich wird es an dieser Stelle Wohnungsbau geben. Es gibt Sorgen von Anwohnern, dass hier -wie am Kirchhainer Damm- vielleicht eine Flüchtlingsunterkunft einziehen könnte. Dazu erklärt Stadträtin Dr. Sibyll Klotz: „Nach der Eröffnung des Mutter-Kind-Hauses sehe ich dort -in einem allgemeinen Wohngebiet- keinen weiteren Spielraum.“ Die Stadträtin für Gesundheit, Soziales, Stadtentwicklung ergänzt, dass sie auch keine Anhängerin von so großen Einrichtungen ist.

Thomas Moser (auch Fotos; bis auf Innenansicht Zimmer)


 

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